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Gesandter des Teufels

Gesandter des Teufels

Titel: Gesandter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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Die Aufständischen hatten es auf bestimmte Ziele abgesehen, und die Häuser und Läden ihrer Verwandten in der Stadt gehörten nicht dazu.
    Das erste Ziel waren die Stadtgefängnisse, allen voran die von Newgate, Fleet und Ludgate. Die Aufständischen stießen bei der Befreiung der Gefangenen auf keinerlei Widerstand, denn in den meisten Fällen öffneten die Wärter schon freiwillig die Zellen, sobald sie den Lärm der heranrückenden Menge vernahmen.

    Als Nächstes griffen die Bauern den Temple im Ostteil der Stadt an. Er war einst das Ordenshaus der Tempelritter gewesen und beherbergte nun die Advokaten und Justitiare Englands.
    Die Justitiare waren nicht so vernünftig wie die Gefängniswärter.
    Zunächst versuchten sie, die Türen der Gebäude zu verriegeln, wofür es jedoch zu spät war, und bemühten sich dann, die Stapel und Schränke voller juristischer Schriftstücke zu beschützen. Die meisten von ihnen wurden zusammen mit den wertvollen Aufzeichnungen Opfer der Flammen -Schriftstücke, die seit Hunderten von Jahren die Knechtschaft des Volkes in vertrackten und undurchsichtigen juristischen Paragrafen festhielten, die bislang kein einziger Bauer hatte anfechten können.
    Justitiare wie Schriftstücke brannten bald lichterloh.
    Nachdem der Mob so viele Akten wie möglich vernichtet hatte, griffen einzelne Gruppen der Aufständischen die Lagerhäuser an den Kais an, plünderten sie, brannten sie nieder und ermordeten jeden Fremdländer und Juden, dessen sie habhaft werden konnten.
    Dann war die Kirche an der Reihe.
    Neville hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Er hatte von seiner Zelle aus nur wenig sehen können, abgesehen von fernen Lichtern, die irgendwo am Südufer der Themse flackerten, aber er hatte die Schritte und die aufgeregten und furchtsamen Stimmen auf der Straße gehört.
    Sein Wärter war die ganze Nacht lang vor seiner verriegelten Zellentür auf und ab gegangen und kurz vor Einbruch der Morgendämmerung verschwunden - vielleicht um seine Familie oder sich selbst zu retten.
    Bei Tagesanbruch, als der vertraute und beruhigende Duft von frischgebackenem Brot über die Stadt wehte, hatte Neville die graue Menschenmenge gesehen, die sich über die London Bridge gewälzt hatte, und in den nächsten Stunden hatte er dem Brüllen und Schreien auf den Straßen vor den Mauern von Blackfriars gelauscht.
    Dann war eine Zeit lang Fußgetrappel auf dem Gang vor seiner Zelle zu hören gewesen, das jedoch irgendwann verstummt war, nachdem sich die Mönche des Klosters in Sicherheit gebracht hatten.
    Nach einer Weile war vollkommene Stille eingekehrt. Selbst der Lärm auf der Straße hatte sich etwas gelegt.
    Neville war von großer Unruhe erfüllt. Er schritt in seiner Zelle auf und ab und verfluchte die Untätigkeit, zu der er verdammt war.
    War Margaret in Sicherheit? Gütiger Himmel, sie und Rosalind
    hatten sicher große Angst! War Courtenay bei ihnen? Oder
    Bolingbroke?
    »Verdammt!«, murmelte Neville immer wieder, während er auf und ab ging. »Verdammt! Verdammt!«

    Er versuchte, die Tür seiner Zelle zu öffnen und stemmte sich mit aller Kraft dagegen, doch sie war äußerst stabil und gab nicht ein Jota nach.
    Er packte den Schemel, der in der Zelle stand, und schlug damit gegen die Tür, doch der Schemel zerbarst und die Holzsplitter flogen ihm um die Ohren, während die Tür nicht einen Kratzer abbekommen hatte.
    Neville hämmerte mit den Fäusten dagegen und schrie um Hilfe.
    Doch niemand antwortete ihm.
    Schließlich hielt er inne, schwer atmend von der Anstrengung, die ihn das Hämmern und Schreien gekostet hatte.
    »Verflucht sollt ihr sein«, flüsterte er und wusste nicht recht, an wen oder was sich sein Fluch richtete.
    Als er schließlich Luft holte, um weiter um Hilfe zu rufen, hörte er plötzlich im Stockwerk über sich ein lautes Poltern. Nevilles Blick fuhr zur Decke hoch. Das Holzgebälk der Zelle bebte immer noch von der Macht des Aufpralls.
    Dann glitt sein Blick zur Tür zurück: Draußen im Gang liefen Männer vorbei... viele Männer. Rufe und Flüche, Schreie und flehentliche Bitten waren zu hören, und Neville machte einen Schritt rückwärts und bewaffnete sich mit einem der abgebrochenen Beine des Schemels.
    Etwas schlug heftig gegen die Tür, und dann war die Stimme eines Mannes zu hören, der um Erbarmen flehte. Ein Knurren ertönte, und wieder wurde der Mann gegen die Tür geschleudert.
    Neville war bis zur Rückwand seiner Zelle zurückgewichen, den Blick wie

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