Gesandter des Teufels
werde nicht mit dir reiten ...«
»Wie bitte ? Ich befehle dir, mit mir zu reiten!«
»Majestät«, sagte de Vere, senkte dann die Stimme und flüsterte ein Kosewort. »Ich möchte, dass Ihr den Ruhm ganz für Euch habt«, fuhr er mit lauter Stimme fort. »Ich würde es nicht wagen, mich in die königlichen Angelegenheiten einzumischen, derer Ihr Euch heute annehmen müsst!«
Wadsworth verzog das Gesicht und wandte den Kopf ab, damit Richard und de Vere es nicht bemerkten. De Vere überließ Richard nur allzu
gern den ganzen Ruhm! Zweifellos hatte er am Wassertor bereits
ein Ruderboot bereitstellen lassen.
Richard blinzelte, er wusste nicht, was er von de Veres Beteuerungen halten sollte. »Aber ... aber ...«
De Vere ergriff Richard bei den Schultern. »Du wirst dort hinausreiten und deine Untertanen zur Raison bringen«, sagte de Vere. »Zweifle nicht daran.«
Richards Blick wurde klarer, und er richtete sich auf. »Ja! Das werde ich tun!«
»Du darfst dir von dem Pöbel nichts vorschreiben lassen. Du bist der Nachfahre von Königen, die von den großen Kriegern von Troja und von König David selbst abstammen. Du wirst bei dieser Begegnung triumphieren!«
Wadsworth musste de Vere zugute halten, dass es ihm hervorragend gelang, Richard Mut zuzusprechen, doch er fragte sich, wie lange Richards Entschlossenheit anhalten würde.
Was würde geschehen, wenn Richard der erste Spieß ent-
gegengeflogen kam?
Richard nickte. Er winkte Wadsworth zu sich. »Kommt, Oberbürgermeister, die Pferde warten. Was zaudert Ihr noch?«
Während Wadsworth auf die Tür zuging, beugte sich Richard noch einmal zu de Vere hinüber. »Ich werde dir alles berichten, wenn ich siegreich zurückgekehrt bin!«, sagte er.
De Vere nickte, und sein Lächeln verschwand erst, als Richard das Gemach verlassen hatte.
Auf der Treppe, die zum Eingang des Burgfrieds hinunterführte, stand Northumberland und lauschte den Worten, die ein Soldat ihm eilig ins Ohr flüsterte.
Als Richard die Treppe herunterkam, trat Northumberland zu ihm und flüsterte ihm ebenfalls etwas ins Ohr.
Richard atmete sichtlich auf, und sein Gesicht verzog sich zu einem grimmigen, kalten Lächeln.
Lancaster war dem Tode nahe. Während der Nacht war sein Atem flacher und mühsamer geworden, und Bolingbroke, Neville und Margaret, die bei ihm wachten, konnten hören, wie sein Todesröcheln stetig lauter wurde.
Doch Lancasters Geist war immer noch so klar, dass es ein Geschenk des Heilands war.
»Ich muss die Beichte ablegen«, sagte der Herzog im Morgengrauen. »Ich brauche einen Geistlichen.«
»Im Tower gibt es keine Geistlichen«, sagte Bolingbroke. »Den letzten, der noch verblieben war, hat die Menge vor ein paar Stunden umgebracht.«
»Ich ...«, sagte Neville, doch Lancaster wandte sich stattdessen an Margaret.
»Werdet Ihr mir die letzte Beichte abnehmen, Schwester?«
Neville konnte es kaum glauben. Margaret? Er wollte etwas einwenden
- ganz gleich, was er von seiner Gemahlin hielt, eine Frau sollte einem Sterbenden nicht die Beichte abnehmen -, aber er sah den flehenden Ausdruck auf Lancasters Gesicht. Da schloss er den Mund wieder und erhob keinen Widerspruch.
Margaret wirkte überrascht, doch nach kurzem Zögern ging sie zum Bett des Herzogs und setzte sich neben ihn.
Sie ergriff seine Hand.
»Es ist mir eine große Ehre«, sagte sie.
Als Richard, Wadsworth, Northumberland und ihre Eskorte aus einigen Dutzend Knappen und Soldaten in den inneren Verteidigungsring einritten, stellten sie fest, dass der Großteil der Bauern, die sich dort in der Nacht zuvor versammelt hatten, verschwunden war. Geblieben waren nur noch ein Mann namens Jack Straw und etwa sechzig Bauern, die mit Spießen und Schwertern bewaffnet und in erstaunlich ordentlichen Marschkolonnen aufgereiht waren.
Nachdem Jack Straw sich vorgestellt hatte, musterte er argwöhnisch die Eskorte des Königs.
»Ihr tragt Waffen«, sagte er.
»Glaubt Ihr etwa, wir würden ohne Waffen in einen mordlustigen Mob hineinreiten?«, fragte Northumberland. »Wir sind nicht mordlustig ...«
Northumberland lachte.
»... und ein >Mob< sind wir nur für diejenigen, die uns versklaven wollen«, sagte Straw. »Aber wenn Ihr glaubt, die Worte Eures Königs mit Schwertern durchsetzen zu müssen, dann nehmt sie meinetwegen mit.«
Er sah wieder zum König hinüber, der ruhig und beherrscht schien.
Ich hoffe, er lässt uns ausreden, dachte Straw. Denn wenn er uns mit
Verachtung begegnet, anstatt sich
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