Gesandter des Teufels
Bolingbroke saßen am Fenster eines Gemachs im obersten Stockwerk des Bergfrieds von Gravensteen. Unter ihnen schlängelten sich die Leie und die Lieve durch die Stadt und das Flachland dahinter.
Bolingbroke schwieg.
Philipp blickte aus dem Fenster, als sei er von der Schönheit des Anblicks gefesselt. »Ich habe nie ganz begriffen, warum Katherine sich mir so freudig hingegeben hat«, sagte er und sah Bolingbroke an. »Für eine Jungfrau war sie erstaunlich erpicht darauf, das Lager mit mir zu teilen.«
Bolingbrokes Gesichtsausdruck war finster und feindselig.
»Doch dann habe ich einige Erkundigungen angestellt«, fuhr Philipp fort und sah wieder aus dem Fenster. »Und mir ist aufgefallen, dass sie genau in jener Nacht zu mir gekommen ist, als du geheiratet hast, mein Freund. Und dann habe ich mich wieder daran erinnert, dass es vor einigen Jahren Eheverhandlungen zwischen dir und ihr gegeben hat.«
Philipp zuckte die Achseln. »Nun, was für einen Schluss sollte ich daraus ziehen? Das Ganze hat mich ziemlich beschäftigt. Warum hat sich Katherine geweigert, mich zu heiraten? Hatte sie dabei irgendwelche Hintergedanken? Sie sagte, sie wolle einen starken Mann auf den französischen Thron bringen und mich beim Erreichen meiner Ziele unterstützen, aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass vielleicht nicht ich der starke Mann bin, den sie statt ihres hasenfüßigen Bruders auf dem Thron sehen will.«
Er sah wieder zu Bolingbroke hinüber, und der scherzhafte Ton wich aus seiner Stimme. »Ich glaube, Bolingbroke, dass es zwischen dir und ihr ein geheimes Bündnis gegeben hat oder immer noch gibt ... ein Bündnis, das du in Katherines Augen gebrochen hast, als du Mary zur Frau genommen hast. Ich glaube, dass du derjenige bist, der ihrer Meinung nach auf den französischen Thron gelangen sollte. Oder zumindest ist dies früher einmal ihre Ansicht gewesen.«
Philipp beugte sich über den kleinen Tisch, der zwischen ihnen stand.
»Was ich gerne von dir wissen möchte, mein Freund, ist... was bedeutet dir mehr? Frankreich ... oder Katherine?«
Bolingbrokes Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Ich kann beides haben«, sagte er.
Philipp lächelte. »Nein, Bolingbroke, das glaube ich nicht. Jedenfalls nicht mehr.«
Neville war mit den anderen Männern hinausgegangen, um vor der Tür des Gemachs Wache zu halten, in dem Philipp und Bolingbroke miteinander sprachen, und Agnes hatte Rosalind zum Essen in die Küche gebracht, sodass nun nur noch Mary, Margaret und Katherine in dem hellen, luftigen Gemach übrig geblieben waren.
»Ihr müsst Margaret Neville sein«, sagte Katherine, nachdem die anderen das Gemach verlassen hatten, und ging zu Margaret hinüber.
Margaret nickte und machte einen Knicks. Sie und Katherine kannten einander gut, doch dies war das erste Mal, dass sie sich leibhaftig begegneten.
Katherine ergriff Margarets Hand und zog sie wieder hoch. »Ich habe einmal nach Eurem Gemahl gespuckt«, sagte sie.
Trotz des Ernstes der Situation zuckten Margarets Mundwinkel. »Ich war auch schon oft versucht, das zu tun. Mylady, darf ich Euch Lady Hereford vorstellen, Bolingbrokes Gemahlin.«
Margaret hielt den Atem an, als sich Katherine Mary zuwandte, doch wie Philipp bemerkte auch Katherine die Zeichen der Krankheit und des Elends in Marys Gesicht.
»Mylady«, sagte Katherine, beugte sich vor, legte ihre Hände auf Marys Schultern und küsste sie auf die Wange. Katherine war wütend auf Bolingbroke, aber nicht auf diese Frau. »Wie ich höre, habt Ihr vor Kurzem ein Kind verloren.«
»Ich hätte gedacht, dass Euch das freuen würde«, sagte Mary und gab sich keine Mühe, die Verbitterung in ihrer Stimme zu verbergen, als sie sich von Katherine zurückzog.
»Dann habt Ihr einen falschen Eindruck von mir«, sagte Katherine,
»denn Kinder sind ein Segen, und ihr Verlust ist ein Grund zur Trauer.«
Angespanntes Schweigen herrschte, und Katherine wandte sich schließlich dem Fenster zu und schaute hinaus. »Eine schöne Stadt«, sagte sie. »Was ist das für eine Burg dort neben der Kathedrale? Sie sieht sehr düster aus.«
»Es ist die Burg Geralds des Teufels«, sagte Mary, die hinter Katherine stand.
Katherine erstarrte. »Und warum wird er als Teufel bezeichnet, Mary?«
»Wollt Ihr Euch vielleicht mit etwas Wein erfrischen, Lady Katherine?«, fragte Margaret, um die beiden Frauen von der verfluchten Burg abzulenken.
»Er wird als Teufel bezeichnet«, sagte Mary, »weil er kurz nach der
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