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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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nicht hier ist, sorgen sie zuverlässig für unsere Sicherheit.«
    Ratlos sah sie sich zu Darion um, um dessen Mund es zuckte. Verdammt – dieser Tag wartete wirklich überreichlich mit Unglück auf! Jetzt entdeckte man auch eine leicht beschädigte Reisekutsche, die zwischen Stall und Scheune geschoben worden war. Die beiden Pferde soffen in aller Ruhe aus dem Sandsteintrog.
    Töne drangen aus dem Haus, jemand hatte das Klavier – ein Erbstück von Marians Mutter – geöffnet und spielte darauf. Marians Miene hellte sich auf, als jetzt die wohlbekannte dunkle Stimme zu vernehmen war. Einen kleinen Moment lang lauschte sie dem Lied mit geschlossenen Augen, dann lief sie zum Eingang des Wohnhauses.
    Darion verstellte ihr den Weg, flehte sie an, nicht hineinzugehen. Erinnerte sie an das Versprechen, das sie ihm unterwegs gegeben hatte.
    »Du wolltest mir folgen, Marian!«
    »Lass mich durch! Ich muss Professor Sereno begrüßen. Ich habe ihm so vieles zu erklären …«
    »Tu es nicht, Marian! Wir müssen fort. Es gibt keinen Aufschub. Wenn du mich liebst, dann kommst du jetzt mit mir!«
    Sie trat einen Schritt zurück und blickte ihn mit zornigen Elbenaugen an. Sturm lag darin, Wälder, die sich unter dem Angriff des Windes beugten, wirbelnder goldfarbener Staub, zischende dunkelgrüne Brandung gegen grauen Fels.
    »Ich begreife nicht, was in dich gefahren ist, Darion!«
    Er hätte Gewalt anwenden, sie an sich reißen und mit ihr davonfliegen müssen. Gegen ihren Willen handeln, um sie nicht zu verlieren. Er tat es nicht.

Kapitel 24
    Die Reisekutsche holperte über den aufgeweichten Weg, hin und wieder lag ein Feldstein in der Fahrrinne, und das Gefährt geriet für einen Moment in eine gefährliche Schieflage. Es hatte jedoch bisher alle Widrigkeiten gemeistert, ohne umzukippen. Marian fröstelte. Sie hatte über den gefütterten Mantel eine wollene Decke gewickelt, ihre Hände steckten in einem Pelzmuff, und doch wollte ihr nicht warm werden. Dabei war es draußen nicht einmal kalt. Der Nieselregen, der ihre Fahrt nun schon seit Tagen begleitete und alle Wege in schlammige Rinnsale verwandelt hatte, war lau, er roch nach vermodertem Laub und fauligem Vorjahresgras. Marian hatte schon lange nicht mehr aus dem Fenster gesehen, wo kahle Bäume, graue Wiesen und manchmal auch niedrige einsam gelegene Gehöfte vorüberzogen. Sie lehnte den Hinterkopf gegen das harte Polster, zog die Wolldecke über ihrer Brust zusammen und versuchte zu vergessen, dass sie scheußliche Kopfschmerzen hatte.
    »Es kann nicht mehr weit sein«, sagte Professor Sereno.
    Er sagte diesen Satz wohl zum hundertsten Mal. Im Gegensatz zu Marian schwitzte er vor Aufregung, wischte sich immer wieder mit einem Taschentuch über die Stirn und zog eine zusammengelegte Landkarte aus der Manteltasche, um sie umständlich auf seinen Knien zu entfalten.
    »Kommt dir diese Gegend denn nicht bekannt vor? Hast du sie schon einmal gesehen? Im Traum vielleicht? In deiner Erinnerung?«
    »Nein, Mr. Sereno.«
    Er war enttäuscht und ließ es sie spüren. Schlecht gelaunt fuhr er mit dem Finger über die Karte, blickte dann aus dem Fenster und fluchte, weil der Zugwind ihm die Landkarte von den Knien blasen wollte.
    »Halt das Papier fest! Siehst du nicht, dass es davonflattert?«, fuhr er Marian an.
    »Ich habe Kopfschmerzen, Mr. Sereno.«
    »Frauen haben immer Kopfschmerzen!«, gab er bissig zurück, wobei er das Wort »Kopfschmerzen« mit hoher Stimme aussprach und das Gesicht abfällig verzog. Er hob einen flachen Holzkasten auf seine Knie, in dem er zwei Pistolen aufbewahrte, und breitete die Karte auf dieser Unterlage aus.
    »Sagten Sie nicht, Sie wüssten, wo sich der Ort befindet?«
    »Natürlich«, knurrte er. »Es ist nur so, dass diese Karte schwer zu lesen ist.«
    Es handelte sich um eine ganz gewöhnliche Landkarte von Schottland, die er irgendwo in einem Laden gekauft hatte. Aber er wäre – wie er immer wieder ärgerlich erklärte – nun einmal Künstler und kein Geograf. Und dann wäre es vor allem ihre Schuld, denn sie unterstützte ihn zu wenig. Dabei täte er dies alles nur für sie und für das Volk der Lichtelben. Marian hatte zu Anfang tatsächlich an dieses Gerede geglaubt, inzwischen jedoch begriffen, dass Sereno vor allem an sein eigenes Wohl dachte. Selbstlos waren nur ihre drei Begleiter: Vetter George auf dem Kutschbock und die Lichtelben Gesira und Latar, die oben auf dem Kutschendach beim Gepäck saßen, zu dem auch ein dickes

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