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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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sich dann auf ihn zubewegte. Für wenige Sekunden hätte er die Chance gehabt, das Licht zu löschen und in die Dunkelheit zu entschwinden, da sie um mehr als eine Armeslänge von der Laterne entfernt war. Er verpasste die Gelegenheit, und nun war es zu spät. Die Tischplatte befand sich nicht mehr zwischen ihnen, Marian stand dicht vor ihm, das Licht in Reichweite.
    »Was aber ist, wenn ich gar nicht träume?«
    Er sprang auf und riss dabei den Stuhl um, der polternd mit der Lehne auf den Boden schlug. Es war lachhaft – ein großer Mann, ein Krieger mit Panzer und Schwert versuchte vor ihr, Marian, zu flüchten!
    »Nimm endlich das Licht weg, Marian! Ich bitte dich! Nicht um meinetwillen – um deinetwillen … Dein Haar ist gleißend wie die Sonne …«
    Er vollführte eine Körperbewegung, als wollte er zurückspringen, doch Marian vereitelte seinen Fluchtversuch durch einen entschlossenen Griff zur Laterne. Es war also nicht allein die kleine Kerze, die ihn blendete, sondern der Widerschein des Kerzenlichts in ihrem offenen Haar. Wie seltsam!
    »Dann hör auf, mich anzulügen! Sag mir, wer du bist!«
    Sie war ihm so nah, dass sie seinen Atem spürte. Die Luft zwischen ihnen schien zu vibrieren, unsichtbare spitze Nadeln wirbelten darin, kleine Feuerfünkchen glommen auf und verloschen wieder. Woher nahm sie den Mut, solch ein Wagnis einzugehen? Er war ein Geistwesen, ein Schatten, sie hatte das Schwert an seinem Gürtel gesehen. Und doch gab es da ein Empfinden, das stärker war als ihre Angst. Eine Anziehung, über deren Natur sie sich selbst nicht klar war.
    Als Marian die Hand ausstreckte und seinen Arm berührte, durchzuckte sie ein heißer Strom. Hatte er das auch gespürt? Sie sah, wie er vor Schmerz die Augen zusammenkniff, hörte ihn leise aufstöhnen.
    »Du weißt nicht, was du tust, Marian!«
    Sein Körper bäumte sich auf, ballte sich zu einem Schatten, der sich um sie legte und einschloss. Sie spürte Schmerz und Schrecken, glühende Flammen schienen über ihren Körper zu fahren und jede, auch die schamloseste Stelle ihrer Haut zu versengen. Wie schwach sie nun war, wie gewaltig die dunkle Macht seines Körpers, der sie gefangen hielt! Seine harten zornigen Lippen glitten über ihren Hals, eroberten die kleine Grube unter ihrer Kehle, schoben sich warm und feucht hinunter zu ihren Brüsten, als wäre das Nachthemd gar nicht vorhanden. Sie begann, sich zu wehren, doch sie merkte rasch, dass sie nicht die mindeste Chance hatte. Oh, wie naiv sie gewesen war, als sie glaubte, diesen Geist durch eine harmlose Laterne bannen zu können!
    »Lass mich los! Bitte! Lass mich …«
    Er gehorchte nicht, hielt sie stattdessen fest umschlossen, doch ohne ihr Schmerzen zuzufügen. Seine Lippen waren nun auf einmal sanft, sie betupften spielerisch ihre Nase, küssten sachte und wie zufällig ihren Mund. Kitzelnd folgte seine feuchte Zunge der geschwungenen Linie ihrer Oberlippe, und erst als sie eine sehnsüchtige Bewegung machte, wurde er dreister. Sie hatte nicht gewusst, was bei einem solchen Kuss geschah, und presste ihre Lippen fest aufeinander, als seine Zunge in ihren Mund eindringen wollte. Er zwang sie nicht, betupfte ihr nur Wangen und Stirn mit kleinen zarten Küssen.
    »Ich bin ein Geist«, hörte sie ihn flüstern. »Ein Wesen, das dem Reich der Schatten angehört, eine Ausgeburt der Nacht, ein Nebelschweif am schwarzen Himmel. Ich bin dein Beschützer, Marian.«
    Sie begriff nichts, spürte nur die Sehnsucht, für immer in seinen dunklen Armen liegen zu dürfen und seine zärtlichen frechen Küsse zu fühlen. Ein rhythmisches Stoßen und Hämmern erfüllte ihre Ohren, und erst als er sich von ihr löste, begriff sie, dass es sich um seinen aufgeregten Herzschlag handelte.
    »Vergiss das nicht, Marian!«, raunte er leise mit dunkler weicher Stimme. »Ich bin dein Beschützer. Der Einzige, dem du dich anvertrauen solltest. Wirst du das tun?«
    Er hielt sie noch an den Armen, doch die warme erregende Hülle, die er um sie geschlossen hatte, war nicht mehr da. So groß ihr Schrecken zu Anfang gewesen war – jetzt war sie enttäuscht über seinen Rückzug, fühlte sich abgeschoben. Sie blinzelte zu ihm auf, um ihm die volle Kraft ihrer hellen Augen zu ersparen, unsicher, was sie mit seiner Frage anfangen sollte.
    »Falls ich einmal einen Beschützer brauchen sollte, werde ich an dich denken«, meinte sie lächelnd. »Allerdings nur, wenn du mir deinen Namen offenbarst.«
    Sie hatte nicht aufgepasst. Mit

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