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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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immer.
    Er streckte sich wohlig aus und genoss die Wärme, die die beiden Hunde ausstrahlten. Dann lauschte er auf einen neuen Windstoß, der heulend über die Dachschindeln fegte, und plötzlich sagte seine Geistnatur ihm, dass dort oben nicht nur der kalte Dezembersturm sein Unwesen trieb. Etwas war dort auf dem Dach gelandet, keine Windbraut und auch kein Nebelgeist, sondern etwas Größeres, vermutlich ein Nachtschatten.
    Wütend dachte er an Aladion, den Abtrünnigen, der sich regelmäßig in der Gegend herumtrieb und ihm schon am ersten Tag hier im Garten aufgelauert hatte. Er war nicht nur erfahren, der Alte, er war auch unverschämt schlau, denn er flog Gorians Kriegern ständig vor der Nase herum, ohne dass es ihnen bisher gelungen wäre, ihn zu erwischen. Und selbst dann war es immer noch fraglich, ob einer von Gorians jungen Burschen es mit ihm hätte aufnehmen können. Auch er selbst hatte damals große Mühe gehabt – vermutlich war Aladion nur durch ein Geschwader zu überwältigen.
    Er war zornig auf den Alten, weil er ganz sicher mehr wusste als Sereno, vielleicht sogar mehr als Gorian. Aber wie es schien, kochte auch Aladion sein eigenes Süppchen. Der Abtrünnige machte nur hie und da vielsagende Andeutungen, behielt jedoch sein Wissen lieber für sich und besaß noch die Frechheit, sich über Jonathan Mills lustig zu machen.
    An jenem Nachmittag hatte der frisch eingestellte Jonathan Mills in der Gartenhütte nach einer Axt gesucht, da Mrs. Waterfield ihn beauftragt hatte, Brennholz zu hacken. Er war ordentlich zusammengefahren, als Aladion ihn anredete – der Alte hatte sich zwischen den Gartengeräten versteckt und ihm dort aufgelauert.
    »Was für eine Überraschung! Ich habe nicht damit gerechnet, dich noch einmal zu Gesicht zu bekommen.«
    Jonathan hatte sich zwar schnell gefasst, dennoch ärgerte es ihn, dass er für einen Augenblick zusammengezuckt war und beinahe die Axt fallen gelassen hätte.
    »Tut mir sehr leid«, gab er bissig zurück. »Damit verderbe ich dir wohl die angenehme Vorstellung, dass der aufmüpfige Darion in Gorians unterirdischen Gefängnissen verschimmelt.«
    »Du täuschst dich«, lautete die ruhige Antwort. »Aber es war sehr wahrscheinlich, dass Gorian dich so bestrafen würde, nachdem du dich wie ein Strohkopf hast einfangen lassen. Ich hatte viel Mühe, unsere Schutzbefohlene vor Nachstellungen zu bewahren – was eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre.«
    »Nachstellungen?«, fragte Jonathan halb ungläubig, halb erschrocken.
    »Ihr liebenswürdiger Vormund wollte das Recht der ersten Nacht an ihr ausüben, und er war trotz ihres verzweifelten Widerstands nicht bereit, sich zu zügeln. Sie war schon fast nackt, als ich mich endlich entschloss, ihm in den Rücken zu fallen …«
    Jonathan zweifelte keinen Augenblick an der Wahrheit dieser Worte, und ihm wurde schwarz vor Augen. Strykers – dieser elende Dreckskerl! Er hätte ihn gewiss noch ganz anders zugerichtet, wenn er ihm zwischen die Finger geraten wäre! Aber es war Aladion gewesen, der Marian beschützt hatte, während er selbst zu dieser Zeit noch in seinem feuchten Gefängnis hockte, hilflos den Tücken der Windbräute und Gorians Willkür ausgeliefert. Statt dem Alten dankbar zu sein, empfand er jedoch nichts als Zorn und brennende Eifersucht. Wer weiß, ob der Alte Marians hilflose Lage nicht ausgenutzt hatte! Wie eilig er es gehabt hatte, ihm diese Neuigkeit auf die Nase zu binden, und wie höhnisch seine Erzählung klang!
    Aladion saß als schwarzer Schatten zwischen einer blechernen Gießkanne und mehreren Stapeln irdener Blumentöpfe. Man hätte mit dem Stiel der Hacke gut zielen müssen, und vermutlich wären dennoch einige der Töpfe zu Bruch gegangen. Was wiederum bei Mrs. Waterfield einen hysterischen Anfall ausgelöst hätte.
    »Zur rechten Zeit am rechten Ort«, gab Jonathan ironisch zurück und wog die Axt in seinen Händen. »Nicht jeder hat solches Glück wie du, Aladion.«
    Die Blumentöpfe knirschten, weil der Schatten sich neben ihnen ausdehnte.
    »Er hat dir also meinen Namen verraten. Und was noch?«
    Jonathan überlegte, ob es der Mühe wert war, mit diesem Burschen ein Gespräch zu führen, zumal er sich damit neuen Ärger einhandeln konnte. Aber zum Ersten war dieser Dezembermorgen nahezu wolkenlos, was es Gorians Boten erschwerte, sich dem Anwesen zu nähern. Und zum Zweiten bot sich die Gelegenheit, den Abtrünnigen ein wenig auszuhorchen.
    »Was Gorian über dich erzählte?

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