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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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der Elbenkönigin Eolin?«
    »Ich sagte dir ja: Frag die Alten im Reich der Nachtschatten, sie können dir die Geschichte erzählen.«
    »Ich will sie von dir hören!«
    Es raschelte im Efeu, weil zwei kleine Mäuse dort herumturnten, und Jonathan fürchtete schon, der Schatten hätte sich feige davongeschlichen. Aber er war noch da, hatte sich nur ein wenig tiefer verkrochen, dorthin, wo das dunkelgrüne Laub grau und vertrocknet war und die Spinnen hausten.
    »Eines solltest du auf keinen Fall tun, Darion«, kam es aus der Tiefe des Gestrüpps. »Wenn dieses Ding, was er dir gegeben hat, tatsächlich zu glühen beginnt – melde es ihm nicht!«
    Woher wusste er das, dieser neunmalkluge Alte? Er trug das kleine Fläschchen noch unter dem grauen Gewand der Nacht an einem Lederband um den Hals. Eine Phiole, kreisrund und abgeflacht, kaum größer als eine Walnuss und mit rotem Siegellack verschlossen. Darin befand sich eine durchsichtige Flüssigkeit. Gorian hatte ihm dieses seltsame Ding mit viel Geheimnistuerei um den Hals gehängt und den Auftrag erteilt, sofort Meldung zu machen, falls die Phiole zu vibrieren und zu leuchten begänne. Jeden Tag erkundigte der lästige Bote sich nach der Erfüllung dieses Auftrags – es tat sich jedoch nichts.
    »Und weshalb sollte ich das deiner Meinung nach nicht tun?«
    »Weil du Marian dann verlieren wirst, Dummkopf!«
    Jonathan warf die letzten Scheite in den Korb und ging in den Unterstand zurück, um die Axt an ihren Platz zu stellen. Er konnte es sich jedoch nicht verkneifen, im Vorbeigehen einen kräftigen Faustschlag in den Efeu zu landen. Er hörte Aladion schnaufen und wusste, dass er gut getroffen hatte.
    »Steck dir deine schlauen Ratschläge doch an den Kirchturm, Abtrünniger!«
    Nichts hatte er erfahren! Nur eine Vermutung hatte sich bestätigt, aber dazu hätte er Aladion nicht gebraucht. Diese Phiole fungierte als eine Art Anzeiger, sie würde glühen, sobald Marian die richtige Melodie sang.

Kapitel 15
    Was für eine Nacht! Es war so kalt geworden, dass Marian am Morgen nicht einmal wagte, sich im Bett auszustrecken, sondern wie ein Embryo zusammengekauert unter der Decke liegen blieb. Wieso war sie eigentlich schon aufgewacht? Es musste noch sehr früh sein. Das übliche Morgengeklapper in der Küche hatte noch nicht eingesetzt, und sie nahm auch noch nicht den stechenden Geruch wahr, der entstand, wenn die Öfen angeheizt wurden.
    Sie seufzte wohlig, kuschelte sich ein wenig enger zusammen und wollte noch einmal in das sanfte Reich des Schlafs abtauchen, da hörte sie ein leises Kratzen an ihrem Fenster.
    Ein Zweig? Oder vielleicht irgendein Tier? Draußen war es noch stockdunkel, und sie war zu schläfrig, um aus dem warmen Bett zu steigen und nachzusehen. Doch jetzt schien es fast, als klopfte jemand an ihre Fensterscheibe. Es konnte allerdings auch sein, dass sie schon träumte, denn sie war kurz davor, in den süßen Strom des Unbewussten zu gleiten, um mit ihm davonzureisen.
    Irgendjemand wird sich einen dummen Scherz mit mir machen, fuhr es ihr durch den Sinn. Aber da hat er Pech gehabt – die Fenster meines Zimmers sind zugenagelt. Selbst wenn ich wollte, könnte ich sie gar nicht öffnen.
    Der Fluss nahm sie auf, wiegte sie sachte auf den Wellen des Schlummers, und von seinem Grund stiegen zahllose verlockende Bilder empor. Marian wusste recht gut, wie gefährlich diese Bilder waren, ganz besonders am frühen Morgen besaßen sie eine fast magische Kraft, der man sich nur schwer entziehen konnte. Scheinbar harmlos gaukelten sie ihr zarte Eisblumen vor, solche, die sie gestern Früh an ihren Fensterscheiben gesehen hatte. Schlanke ineinander versponnene Pflanzenstängel und vielblättrige Blüten wuchsen im rauchigen Eisbelag der Scheibe, wogten hin und her, als bewegte sie ein leichter Wind, begannen auseinanderzufließen, wurden zu einem Nebelgewölk, einem grauen Dunstgebilde … Es war zu spät, sich noch dagegenzustemmen, die Traumfalle schnappte zu, an ein Entkommen war nicht mehr zu denken.
    Seine Augen hatten die Farbe einer herabsinkenden Sommernacht, sie waren weit geöffnet und schimmerten wie Samt. Bleich wie das Mondlicht schimmerte seine Haut, aber sein Mund war dunkelrot und die Lippen schön geschwungen. Er lächelte sie an. Ja, er blickte ihr in die Augen, wich nicht mehr aus, sondern drang mit dunkelblauer Kühle in sie ein.
    »Willst du, dass ich dich beschütze, Marian?«
    Nichts auf der Welt wünschte sie sich sehnlicher, als von

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