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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte er, und alle drei nickten, als sie zusammen ins Haus traten.
    *
    Es war ein trüber Tag, der bisher einzige trübe Tag dieses Sommers in Carpentras, als sich André Tornerre zum erstenmal wieder auf der Kuppe seines Hügels befand, auf das jetzt unter den schweren Wolken bleiern schimmernde Band der Rhône blickte und die zwischen Freude, Erstaunen, Sehnsucht, Vorsicht und Furcht schwankende Jeanette neben ihm im Gras lag. Ihr schmaler, brauner Kopf hatte ein Plätzchen in seiner Armbeuge gefunden. Sie spielte mit ausgerupften Halmen, flocht ein Kränzlein und sprach manches jener dummen Worte, die von Liebenden als äußerst klug betrachtet werden.
    André war still, in sich gekehrt, versonnen. Er träumte jedoch nicht, sondern prüfte im Inneren seine Lage. Der erste Rausch des Wiedersehens und das heiße Aufquellen zurückgedämmten Gefühles auf dem geheimen Liebeslager hoch oben im Stroh der Scheune waren vorbei. Schon als die noch liebeszitternden Körper ausruhend nebeneinander gelegen hatten und Andrés Blick durch die Luke auf den Hof des Schmiedes hinuntergefallen war, hatte eine kalte Hand nach seinem Herzen gegriffen. Aus dem Haus war ein Mann gekommen, von dem anzunehmen war, daß er sich ein Zimmer gemietet hatte, weil das, was er vorhatte, ihn einige Tage in Carpentras festhalten würde. Der Mann wohnte nicht zum erstenmal hier. Er kam aus Paris und hieß Julien Bonnet.
    Julien Bonnet in Carpentras! Der Rächer der Ehre Frankreichs, die er, André Tornerre, mit seinen Versen verletzt hatte! Die Gerechtigkeit der Welt, die ihn vor ihre Schranken forderte!
    Die Menge in den Städten, jung und alt, groß und klein, dick und dünn, alle warteten doch täglich darauf, daß ihnen jemand zum Fraß vorgeworfen wurde. Und nun war er an der Reihe – André Tornerre!
    André Tornerre – der Fälscher!
    Unten im Hof stand der Zusammenbruch!
    Unten im Hof stand das Ende!
    Das Ende André Tornerres! Das Ende eines Traumes!
    Aus einer Hintertür waren sie aus der Scheune gehuscht, waren durch die Gärten aus dem Ort geschlichen und auf den Hügel hinaufgelaufen, wo sie nun im Gras lagen und ganz verschiedenen Gedanken nachhingen. Jeanette wußte ja nicht, was los war, und André sprach nur in dunklen Worten darüber, mit denen Jeanette nicht das Richtige anzufangen wußte – vorläufig jedenfalls nicht.
    »Was soll mit uns beiden werden?« fragte Jeanette, einen Grashalm durch die Zähne ziehend. »Willst du wieder fort, oder bleibst du jetzt bei mir?«
    André antwortete nicht sogleich, geistesabwesend spielte er mit Jeanettes schönen, langen Haaren.
    »Ich werde weder das eine noch das andere können«, sagte er dann und schaute nicht in die verwundert fragenden Augen des Mädchens. »Ich werde einen neuen Weg suchen, ewig bei euch und doch ständig fern zu sein. Du brauchst nicht den Kopf zu schütteln, Jeanette – es ist ein altes Mittel, auf Probleme, die unlösbar scheinen, zu reagieren. Nur für mich, verstehst du, für mich ist es ein neuer Weg, gerade für mich, der ich das Licht liebe und die Weite … denn wo ich sein werde, ist es dunkel und eng.«
    »Nimmst du mich mit?« fragte das Mädchen. »Du darfst mich nicht wieder allein lassen, hörst du. Und der Vater wird nicht mehr schimpfen … er ist – wie sagt man doch? – er ist einverstanden. Du weißt ja von seinem Gesinnungswandel, der mir persönlich allerdings bis heute schleierhaft ist.«
    »Dein Vater wird seine Einstellung wieder ändern, alle werden sie sie ändern.« André lachte bitter und grell, so daß Jeanette sich erschrocken aus seiner Armbeuge aufrichtete. »Ich wundere mich, daß sie's nicht schon längst getan haben. Warum ist hier in Carpentras alles so still, so grauenvoll still? Liest denn hier keiner eine anständige Zeitung?«
    »André«, fragte Jeanette bang, »wovon redest du?«
    »Welches Blatt liest dein Vater, Jeanette?«
    »Unser Lokalblatt hier.«
    »Und eure Nachbarn?«
    »Auch.«
    »Jaja«, höhnte André, »und mein Vater auch, und der Abbé auch, und die Lehrer auch …«
    »André, ich verstehe dich nicht …«
    »Klar verstehst du mich nicht! Keiner versteht mich! Das ist es ja!«
    »André …«
    Er drehte durch.
    »André, André, André! Ich kann das nicht mehr hören! Nenn mich nicht mehr André! Sag Marcabrun zu mir!« Er lachte schrill. »Oder Arnaut de Marueil! Oder Bertrán de Born! Oder Bernhard von Ventadour! Was gefällt dir am besten?«
    »André …«
    »Hörst du nicht, du sollst mich

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