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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht mehr André nennen, verflucht noch mal!«
    Mit einem Stöhnen warf er sich herum auf den Bauch und preßte den Mund ins Gras, um den würgenden Schrei zu ersticken. Jeanette konnte das alles nicht begreifen. Nur so viel spürte sie, daß sie ihn beruhigen mußte. Sanft strich sie ihm über die Haare und sagte dabei: »Dich hat die Reise so verwirrt. Das war zuviel für dich. Du hast mir schon einmal erklärt, was Sensibilität ist. Die einen haben zuwenig, die anderen zuviel davon. Du gehörst zu letzteren. Am besten wird es für dich sein, einige Tage auszuruhen, zu schlafen, ja zu schlafen, schlafen.«
    »Ewig schlafen«, murmelte André. »Siehst du, Jeanette, du bist klug, deine Vorschläge sind besser, als du denkst. Sie geben mir die Kraft, die mir vielleicht noch fehlt. Schlafen will ich wirklich, so fest und glücklich, daß du nie mehr weinen sollst um mich … und warten brauchst du auch nicht mehr, denn ich bin ganz bei dir.«
    Mit einem Lächeln drehte ihm Jeanette sein Gesicht aus dem Gras und küßte ihn auf den Mund. Vom Tal herauf erklang Gesang, die Mägde zogen von den Feldern heim und freuten sich, daß bald die Dunkelheit das Land einhüllte und in den Büschen um den Ort herum die Süße der Geheimnisse erwachte. Am Horizont versank die Sonne, blutend den Himmel, die Rhône und das Land in eine Fülle flammenden Scheines tauchend, der blasser wurde, violett und blaurot, tief orange und fahl, bis nur noch ein schmaler, heller Kranz am weiten Bogen des Horizonts die Schlafstätte allen Lichts anzeigte.
    »Wir müssen runter in den Ort«, wagte Jeanette von dem prachtvollen Naturschauspiel abzulenken. »Man wartet auf uns.«
    »Warten? Ja, dort unten wartet man auf uns. Auf mich. Jeanette … Daß man noch nicht heraufgekommen ist? Er kennt den Weg doch?«
    »Wer kennt den Weg?« Fragend blickte ihn das Mädchen an.
    »Der … der uns sucht … der uns, der mich erwartet.«
    André erhob sich zögernd und fragte Jeanette: »Willst du nicht allein gehen?«
    »Warum? Was ist mit dir? Möchtest du noch hierbleiben? Es wird schon dunkel. Nicht mehr lange, und es ist Nacht.«
    »Nacht! Die Nacht ist herrlich, Jeanette. Ich liebe die Nacht. Sie ist so gut, so still, so schön. Man muß nur verstehen, was sie einem ins Ohr flüstert. Die Nacht verzeiht, sie deckt so vieles zu, sie ist großzügig und stumm. Ich möchte einmal eine Nacht erleben, ganz allein, verstehst du, unter den Sternen aufblickend zu ihnen. Ich möchte mich ihrem kalten Licht aussetzen und sie fragen nach ihren Geheimnissen. Jeanette, ich bitte dich, laß mich allein.«
    »Aber deine Eltern … sie warten auf dich.«
    »Laß sie warten – auch die anderen, die vielleicht schon auf mich lauern, der eine verbissen, der zweite erschüttert, der dritte schadenfroh.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Was rede ich? Ich möchte, wie gesagt, nur noch einmal die Nacht sehen, bevor ich schlafe. Und du selbst hast mir ja geraten, zu schlafen. Darum laß mich allein, morgen wirst du mich wiedersehen, wir treffen uns unten in der Kirche, vor dem Altar.«
    »Vor dem Altar?« Jeanette schaute und schüttelte ungläubig den Kopf. »Morgen ist doch Sonntag … und Messe … den ganzen Vormittag …«
    »Morgen ist Festgottesdienst«, sagte André Tornerre ruhig, und seine Stimme war wieder klar und voller Melodie. »Ich habe mit Abbé Bayons gesprochen, es gibt morgen eine Überraschung für Carpentras, ein Ereignis, vielleicht eine Sensation. Noch ist es ein Geheimnis – und du mußt schweigen.«
    Jeanette nickte ein wenig zögernd und gab André die Hand. Er legte sie sich an die Wange, riß dann das Mädchen an sich und küßte sie immer und immer wieder auf den heißen Mund und die selig geschlossenen Augen, bis er sie atemlos freigab. Mit einem glücklichen Seufzer wandte sie sich ab und lief auf und davon.
    »Jeanette!« rief er, da er sie noch einmal in die Arme nehmen wollte. »Jeanette, komm zurück!«
    Und als er keinen Erfolg hatte, rief er ein zweites Mal: »Komm zurück, Jeanette, ich bitte dich!« Und leise setzte er hinzu: »Es ist das letztemal … Jeanette … vergiß mich nicht … sei tapfer, tapferer als ich … und verzeih mir, bitte, verzeih mir … ich kann, ich kann einfach nicht mehr.«
    Doch plötzlich übermannte ihn ein Drang, auch hinunter in den Ort zu laufen und noch einmal seinen Vater zu sehen, seine Mutter, die frisch gestrichene Bank hinter dem Haus und den verfallenden Mosaikritter unten in der

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