Gesang der Untoten
Kamin
und zog an einer Troddel, so wie ein alter englischer Herzog in einem
Horrorfilm. Gleich darauf kam diese Frau herein. Sie mußte um die Dreißig sein,
eine große Blondine mit kurzem, glattem Haar, ganz in Schwarz gekleidet. Ihre
Figur war eher athletisch als üppig — ich will sagen, sie hatte zwei kleine
Beulen unter dem Hemd und schien überhaupt keinen Hintern zu haben. Wenn man es
recht überlegte und von den beiden Beulen absah, hätte sie durchaus ein Mann
sein können.
»Anna«, sagte der Mann, »ich
weiß nicht, wer das ist, aber jedenfalls nicht Sophie Ventura.«
Die Blonde sah mich langsam von
oben bis unten an, und ich bekam an den verrücktesten Stellen Gänsehaut. Ihre
Augen waren wäßrig blau und irgendwie leblos.
»Aber irgendwer hat sich
mächtig angestrengt, um sie als Sophie Ventura herzurichten. Sie hat sogar die
Tätowierung an der richtigen Stelle.«
»Kann sie auch singen?« sagte
die Blonde trocken, lachte dann plötzlich auf, und meine Gänsehaut breitete
sich aus.
»Nimm sie mit und quetsche sie
aus«, sagte der Mann. »Ich bin sicher, sie weiß, wie wir an die echte Sophie
herankommen. Vielleicht kannst du sie dazu überreden, es uns zu sagen.«
»Ganz bestimmt.« Die Blonde
lächelte mich an, und das reichte, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu
lassen. »Komm mit, Süße, wir gehen an ein stilles Plätzchen, wo du dich nicht
zu genieren brauchst.«
Mir blieb nichts anderes übrig,
als ihr zu folgen. Als ich in ihre Nähe kam, packte sie plötzlich meine Hand
und bog meinen kleinen Finger zurück, daß ich vor Schmerz aufschrie.
»Komm ja brav mit«, sagte sie
leise, »sonst muß ich dir dein rosa Fingerchen brechen.«
Mit diesem Gedanken
beschäftigte ich mich den ganzen Weg über. Wir gingen durch endlose Gänge und
Hallen, landeten schließlich in einem Raum, der ihr Schlafzimmer sein mußte. Er
war streng sachlich eingerichtet, keine Spur von weiblichem Krimskrams. Auch
das paßte, dachte ich säuerlich. Sie ließ meinen Finger los, gab mir einen
Schubs, der mich in die Mitte des Zimmers stolpern ließ, und schloß dann
sorgfältig die Tür hinter sich zu.
»Ich will ganz sichergehen, daß
wir nicht gestört werden«, meinte sie. »Du sollst dich konzentrieren können,
Herzchen.«
»Ich habe keinen blassen
Schimmer, wo Sophie Ventura ist. Sie verschwenden nur Ihre Zeit.«
»Carl glaubt, daß du etwas
weißt. Und er ist hier der Herr und Meister.«
»Ist er Sophies Mann?« fragte
ich.
Sie lachte trocken auf. »Du
hast ja keine Ahnung, wie komisch das ist! Sag mir einfach nur, wo die echte
Sophie ist, dann ersparst du dir eine Menge Unannehmlichkeiten.«
Mit einem verkniffenen Zug im
Gesicht kam sie auf mich zu, ich wich langsam zurück. Dann machte sie einen
Satz und riß den Knopf meiner Bluse ab. Als sie meine Nacktheit sah, begannen
ihre Augen zu glitzern, und sie packte noch einmal zu. Ihre Finger krallten
sich in den Bund meines Rockes, zerrten, und im Nu hing mein Rock wieder an
meinen Knöcheln. Ich fand es an der Zeit, mich an den Unterricht zu erinnern,
den mir einmal ein Marineinfanterist gegeben hatte. Er hatte mir alles über
Nahkampf beigebracht — nachher.
So machte ich die Finger meiner
rechten Hand steif, hielt sie dicht beieinander und rammte sie in Annas
Solarplexus. Sie gab ein ersticktes Geräusch von sich und knickte ein. Ich
spreizte den Daumen ab, drehte mich auf einem Fuß um mich selbst und setzte ihr
meine Handkante an den Schädel, knapp über dem rechten Ohr. Sie fiel platt auf
den Boden und blieb liegen, ohne sich noch einmal zu rühren. Plötzlich ging es
mir viel besser.
Gerade wollte ich meinen Rock
vom Boden aufheben, als mir eine bessere Idee kam. Wenn ich aus diesem Haus
fliehen wollte, waren eine brustfreie Bluse und ein knöchellanger Rock
keineswegs die richtige Garderobe. So vergaß ich den Rock, zog die Bluse aus
und entkleidete die bewußtlose Anna. Die schwarze Bluse paßte gut, aber die Hose
war so eng, daß sie meinem Hinterteil einen durchaus unnötigen Lift gab.
Schließlich brachte ich es doch fertig, den Reißverschluß hochzuziehen, hatte
aber Angst zu atmen.
Im Zimmer stand kein Telefon,
demnach war es am besten, die Tür hinter mir abzuschließen und die Blonde
liegen zu lassen. Das war eine großartige Idee, die gerade fünf Sekunden lang
hielt, denn dann klopfte jemand.
»Anna?« Das war Carls Stimme.
»Mach auf.«
»Moment«, rief ich, dachte
dabei verzeifelt nach, bis die Inspiration kam. Ich
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