Gesang des Drachen
erreichten ihr Ziel. Manche blieben wirkungslos. Aber einige erschütterten den Titanendactylen in seiner Gesamtheit doch, dass er vibrierte wie ein Schiff mit starken Motoren.
Laura stand gebückt an der Brüstung, bereit, jederzeit in Deckung zu gehen, und starrte mit weit aufgerissenen Augen hinunter. Die Wolke um Alberichs Heer war endgültig gefallen – ob Alberich selbst sie aufgelöst hatte oder Bricius und andere Iolair ihre Magie gebrochen hatten, wusste sie nicht. Obwohl sich Iolair und Söldner auf einer weiten Wiese bekämpften, lag Staub in der Luft, der das Geschehen am Boden dunstig aussehen ließ. Rufe und Schreie, Kriegshörner und Zischen, das Tosen von Schwingen und das Sirren der Pfeile und Geschosse – die Luft selbst schien in Aufruhr geraten zu sein, und Laura schmerzten die Ohren von den hundertfachen Tönen, die einander durchdrangen und überlagerten.
»Sieh!« Milt zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Spyridon und Yevgenji, die, in ihr eigenes Leuchten getaucht, eine Schlacht in der Schlacht führten. Wann immer ihre Körper gegeneinanderprallten, dachte Laura an Riesen, die mit steinernen Fäusten Gebirge zermalmten. Das Klirren der Klingen schnitt durch den Lärm wie ein Messer und klingelte in ihren Ohren.
»Sie schenken sich nichts. Wahrscheinlich können sie es nicht.«
Sie musste sich vor einem weiteren Pfeilhagel ducken. Nidi blieb dicht bei ihr. Auch Finn ließ sie nicht aus den Augen.
Ein Iolair mit Fuchsschwanz stellte einen Eimer mit Steinen neben ihnen ab, und ohne weitere Aufforderung griff Laura nach einem der Brocken, wog ihn in der Hand und warf ihn in eine Gruppe von Alberichs Kriegern.
Alberich selbst wütete an der Spitze, etwa einhundert Meter versetzt zu Yevgenji und Spyridon. Auch ihn umgab ein unnatürliches Wabern, das seinen Leib in Feuer zu tauchen schien. Niemand kam an ihn heran. Er schickte seine Echsen vor, um hinter ihrem Schutz Zauber zu wirken. Der Drachenelf hob den Kopf.
Laura schreckte zurück. »Ob er uns sehen kann?«
»Quatsch!« Milt schleuderte einen Stein. »Wir sind viel zu weit weg!«
Laura war sich da nicht so sicher.
»Treffer!« Finn jubelte. Einer seiner Brocken hatte eine Echse zu Boden gestreckt.
Der Titanendactyle sank ab.
»Festhalten!«, rief Josce.
Das bereits vertraute Gefühl kribbelte in Lauras Magen. Die Kämpfenden wurden rasch größer. Der blinde Lenker des Dactylen steuerte den Titanen mit einem Geschick, das Magie sein musste, über die Flanke mit Alberichs Reittieren. Sie zischten bis auf fünf Meter über dem Boden heran. Speere flogen in den gepanzerten Leib des Titanendactylen, doch er behielt seine Bahn bei und zitterte nicht einmal stärker als zuvor.
Bei den Göttern, dachte Laura. Sie krallte sich mit beiden Händen fest und hörte das Schnauben und Wiehern von panischen Pferden. Echsenreiter stürzten ins Gras. Eine Stampede wild gewordener Reittiere setzte ein. Verzweifelt versuchten die Tiere, sich aus dem Schatten des Titanendactylen zu kämpfen, sofern sie nicht gleich von den brausenden Flügeln umgeworfen wurden. Der lange schmale Rachen stieß nach unten, spießte auf oder zermalmte mit tödlichen Zähnen, was sich in seinem Weg befand.
Das unglaubliche Wesen bewegte sacht seine Flügel, stieg wieder hinauf und segelte von den Kämpfenden fort. Es beschrieb einen weiten Kreis von mehreren hundert Metern – für das riesige Geschöpf war es eine gefährlich enge Wendung – und setzte erneut zum Angriff an. Es öffnete den langen Schnabel und schrie, dass Laura glaubte, taub werden zu müssen. Einen Moment übertönte der Dactyle alle anderen Geräusche.
Lauras Brust schmerzte, ihr Hals war eng und trocken. Sie sah Milt an, der ihr einen zuversichtlichen Blick zuwarf.
»Ich hab's doch gesagt.« Milt grinste. Bis auf seine blasse Nasenspitze merkte sie ihm keine Angst an. »Wir schaffen das. Die Iolair machen Alberich platt!«
Sie stiegen höher. Helfer brachten neue Steine. Laura griff gerade nach einem davon, da spürte sie erneut das Kribbeln, das Alberichs Blick in ihr ausgelöst hatte. Der Drachenelf hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Rotgoldenes Licht hüllte ihn ein.
»Was hat er vor?«, fragte sie. Angst breitete sich in ihr aus.
»Er wird was zaubern wollen«, sagte Finn lapidar. Er griff seinerseits nach einem faustgroßen Brocken. »Ich wünschte, ich könnte dieses Scheusal erwischen.«
Der Dactyle streifte den Rand des Heeres. Das Feld wurde weit auseinandergesprengt. Überall
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