Gesang des Drachen
Strömung treiben. Peddyr machte sich Sorgen um ihn. Normalerweise spielte er mit den Fischen, tauchte und schoss durch das Wasser, in dem er sich so wohlfühlte, doch an diesem Tag schien ihm die Energie dafür zu fehlen. Aber fragen wollte Peddyr ihn nicht noch einmal. Er war sich sicher, dass Marcas ihm nur wieder gesagt hätte, es wäre alles in Ordnung.
Sie ließen die Bucht hinter sich. Das Ufer wurde steiniger und hügeliger, der Wald rückte näher an den Fluss heran. Es gab keinen Weg so dicht am Wasser, und Peddyr musste sich an manchen Stellen durch das Unterholz kämpfen. Weiter weg vom Fluss, auf dem Pfad, den die Glaubenskrieger wahrscheinlich benutzten, um die Kisten zur Höhle zu bringen, wäre er leichter vorangekommen. Er wagte aber nicht, diesen zu nehmen. Die Gefahr, erwischt zu werden, erschien ihm zu groß; außerdem wollte er Marcas nicht allein lassen.
»Wie weit ist es noch?«, fragte Peddyr nach rund einer Stunde Fußweg. Vor ihm krümmte sich der Fluss nach links, Schilf wuchs fast mannshoch am Ufer. Er musste die Halme auseinanderbiegen, wenn er Marcas sehen wollte.
Hinter der Biegung. Sei leise, wir sind fast da.
Peddyr fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sein Mund wurde auf einmal trocken. Er hatte geglaubt, sie hätten noch mehr Zeit, die Biegung war gerade mal einen Steinwurf entfernt, und was ihn dahinter erwartete, wusste er nicht.
Vielleicht ist das doch keine so gute Idee, dachte er – und zuckte zusammen, als Marcas' Stimme in seinem Kopf erklang.
Wir werden Helden sein. Hab keine Angst.
»Ich hab keine Angst«, sagte Peddyr. Er zwang sich, leise zu sprechen. »Kannst du all meine Gedanken lesen?«
Nur die lauten.
Er wusste nicht, was das bedeuten sollte, ließ es aber auf sich beruhen. Etwas geschah mit Marcas, veränderte ihn, aber er selbst schien es nicht zu bemerken. Vielleicht schreckte er auch nur davor zurück, sich das einzugestehen.
Die Flussbiegung war länger, als es den Anschein gehabt hatte. Fast eine halbe Stunde verging, bis Peddyr einen Weg sah, der zu dem Höhleneingang führte, von dem Marcas gesprochen hatte. Die Nachmittagssonne erhellte ihn drei, vier Schritt tief, dahinter herrschte Dunkelheit.
Es raschelte hinter ihm. Peddyr fuhr herum, atmete aber auf, als sich Marcas' Tentakel aus dem Schilf schlängelten.
Geh du vor. Wenn es Ärger gibt, kannst du schneller laufen als ich.
»Dann warte hier.«
Peddyr schlich den Weg hinauf bis zum Eingang. Immer wieder blieb er stehen und lauschte, aber abgesehen von Insekten und Vögeln hörte er nichts. Seine Umgebung wirkte friedlich und ruhig.
Der Eingang selbst sah aus wie in Marcas' Erinnerung. Kisten stapelten sich an den Wänden, der Weg führte zwischen ihnen hindurch tiefer in die Höhle. Vorsichtig machte Peddyr einen Schritt hinein. Seine Krallen kratzten über den Fels. Irgendwo tropfte Wasser.
Er dachte kurz darüber nach, Marcas zu bitten, am Fluss zu warten. Er war zu ungeschickt und langsam an Land. Wenn etwas geschah, würde er sich nicht retten können.
Du wirst nicht allein gehen, sagte Marcas. Wir sind Freunde. Die lassen einander nicht im Stich.
Peddyr war gleichzeitig erleichtert und besorgt über diese Antwort. Es war gut, nicht allein zu sein, aber er hatte auch Angst, Marcas in etwas hineinzuziehen, was er nicht überblicken konnte.
Ihm kam eine Idee. Kannst du die Gedanken der Bewacherinnen lesen?, fragte er und bemühte sich dabei, so laut wie möglich zu denken.
Marcas tauchte neben ihm am Eingang auf. Nein. Deine sehe ich nur, weil wir uns so gut kennen, glaube ich. Die von Fremden höre ich nicht.
»Schade«, sagte Peddyr leise.
Marcas watschelte auf seinen Tentakeln an ihm vorbei in die Höhle hinein. Hier entlang.
Der Gang führte nach unten. An seinen Wänden hingen Öllampen, die mit kleiner Flamme brannten. Ihr Licht riss grauen Stein aus der Dunkelheit, über den ab und zu feucht glänzende Tausendfüßler krochen.
Peddyr dachte an die Kinder, die seit Tagen in dieser Höhle festgehalten wurden, und schüttelte sich. Wir tun das Richtige.
Das weiß ich. Marcas, der einige Schritte vor ihm ging, presste sich auf einmal an die rechte Gangwand. Peddyr duckte sich, blieb ebenfalls rechts und schloss zu ihm auf. Vor ihnen, halb verdeckt von vorstehenden Felsen, endete der Gang in einer großen Höhle. Sie war kaum höher als zwei Mannslängen, zog sich jedoch so tief in den Berg hinein, dass der hintere Teil in den Schatten verschwand.
Die linke Seite der
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