Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)
fragte Sarah.
Joley rieb ihre Hand wieder an ihrem Schenkel. »Ich weiß es nicht. Aber ich trage das besagte Mal auf meiner Handfläche, und ich bin ziemlich sicher, dass es mich in irgendeiner Form an Ilja Prakenskij bindet.« Auf das Blatt, das vor ihr lag, zeichnete sie einen doppelten Kreis auf der Plusseite und begann, einen Strich durch das Symbol zu ziehen, ließ es dann jedoch bleiben.
»Und du fasst eine Beziehung mit ihm ins Auge?«
Joley hatte gewusst, dass Sarah sie nicht so leicht davonkommen lassen würde. Sie seufzte, da ihr klar war, dass sie, wenn sie Hilfe wollte, Sarah reinen Wein einschenken musste; ihr blieb gar nichts anderes übrig, als die volle Wahrheit zu sagen und zu hoffen, dass ihren Schwestern etwas zu ihrer Rettung einfallen würde.
»Davon kann eigentlich nicht mehr die Rede sein; es ist längst zu spät. Ich bin besessen von ihm. Ich würde das keinem anderen als einer meiner Schwestern gegenüber zugeben, aber ich denke Tag und Nacht an nichts anderes mehr, nur noch an ihn. Es ist mehr als Besessenheit. Ich schwöre es dir, Sarah, es ist, als sei er zum Blut in meinen Adern geworden.« Sie stieß ein kleines höhnisches Lachen aus und fuhr mit ihrer Fingerspitze die Kreise auf dem Papier nach. » Wie bescheuert klingt das? Er ist die Luft in meiner Lunge. Mit jedem Atemzug nehme ich ihn tief in mich auf und gebe ihn dann wieder her.« Und sie fror und fühlte sich einsam ohne ihn, ohne die Glut seines Körpers, die Glut seines Blickes, seine Stimme in ihrem Kopf, die sie in den Wahnsinn trieb. »Es ist, als gingen wir ineinander auf. Du kennst mich doch. Es mag ja sein, dass ich bei Männern einen schlechten Geschmack habe, aber ich war nie besessen, und ich habe nie einen Mann gebraucht. Aber ihn brauche ich.«
» Wenn Prakenskij dich bedrängt, können Damon und ich
notfalls noch heute zu dir fliegen und dafür sorgen, dass du den Rest der Tournee überstehst.«
»Nein, er bedrängt mich nicht. Es ist eher umgekehrt.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Man könnte nicht behaupten, dass du Jagd auf Männer machst, Joley. Sie machen doch vielmehr Jagd auf dich.«
»Ich habe mich ihm vor ein paar Tagen an den Hals geworfen, und er hat mich abgewiesen«, gestand Joley. »Und die letzte Nacht hat er bei mir verbracht und so gut wie nichts anderes getan, als dafür zu sorgen, dass ich schlafe.«
Wieder trat Stille ein. Joley zählte bis zehn, während ihre Worte zu Sarah vordrangen. Sie stellte sich vor, wie Sarah befremdet die Stirn runzelte.
»Du schläfst nicht, wenn jemand im Zimmer ist. Das hast du nie getan, noch nicht einmal als Kind.«
»Ich weiß. Aber letzte Nacht habe ich es getan. Er hat gesagt, er könne nicht mit ansehen, dass ich nicht schlafe; deshalb würde er mich bewachen, damit ich mich entspannen und die ganze Nacht durchschlafen kann – und genau das habe ich getan.«
»Und er hat dich nicht angerührt?«
»Er hat mich geküsst.«
»Und?«
»Das reinste Feuerwerk. Himmel noch mal, Sarah, so, wie er küsst – das macht ihm keiner nach.«
»Das ist nicht gut.«
»Ich habe ihm tatsächlich gesagt, das würde ich auf meiner Liste in die Minusspalte eintragen, aber er hat behauptet, das könnte ich nicht tun.« Sie kam nicht gegen das Lachen an, das in ihr aufsprudelte. Sie berührte ihre Lippen, die bei der Erinnerung prickelten.
»Ich werde auf der Stelle mit Mom reden.« Sarah schien mehr als nur eine Spur alarmiert zu sein. »Mach keine Dummheiten, Joley. Falls Prakenskij tatsächlich von diesem anderen
Geschlecht abstammt, könntest du in ernsthaften Schwierigkeiten stecken. In dem Tagebuch haben unsere Ahninnen geschrieben, der Frau, die zu ihnen gekommen sei, hätte vor dem besagten Mann gegraut. Sie war sehr religiös und glaubte, er hätte vielleicht einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Das Haus und all die Sicherheitsvorkehrungen, die von den Drakes für sie getroffen wurden, hätten sie schützen sollen, aber aus irgendeinem Grund hat sie mitten in der Nacht das Haus verlassen und ist zu ihm gegangen. Das ist unbegreiflich, wo sie doch in Sicherheit war.«
Joley hätte ihr sagen können, warum sie zu ihm gegangen war. Wenn der Mann wie Prakenskij gewesen war, dann hatte er sie mit seiner Stimme verführt. Er hatte sie Tag und Nacht verfolgt, bis sie so hochgradig erregt war, dass sie sich nicht mehr gegen ihn zur Wehr setzen konnte. »Ich werde vorsichtig sein. Finde so viel wie möglich heraus und ruf mich an. Ich höre großen
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