Geschäfte mit der Ewigkeit
gehen und sich um den Tod zu bewerben. Aber zu diesem Schritt wollte er sich nicht zwingen lassen. Denn wenn er jetzt den Tod wählte, würde er als Bettler aufwachen. Er war für das zweite Leben nicht besser gerüstet als der Stammeskrieger aus Zentralafrika, der Peon aus Südamerika oder der Inder, der nachts auf der Straße schlief. Wenn er dagegen am Leben blieb, bestand immer noch die vage Hoffnung, daß er eines Tages etwas Geld auf die Seite legen konnte – auch wenn es im Augenblick aussichtslos schien.
Reich würde er wahrscheinlich nie werden. Aber er wollte zumindest nicht in der Schlange stehen, die um die tägliche Essenszuteilung bettelte. Er wollte nicht vor Kälte zitternd auf der Straße schlafen. Denn dann war es besser, wenn er nicht mehr aufwachte.
Er schauderte, wenn er daran dachte, wie es den Armen in der Welt des glitzernden Reichtums gehen würde. In einer Welt, wo die Ersparnisse der Schlafenden hundert- und tausendfache Zinsen gebracht hatten. In einer Welt, wo jeder Penny so günstig wie möglich angelegt war. Wenn die Aktienbesitzer des Ewigkeits-Zentrums zu neuem Leben erwachten, würden sie entdecken, daß ein Stückchen von jedem großen Besitz der Erde ihnen gehörte. Die Leute, die Aktien besaßen, würden sie klug vermehren. Und diejenigen, die keine hatten, würden auch nie die Chance bekommen, welche zu erwerben. Sie waren dazu verurteilt, immer arm zu bleiben.
Nein, er würde keineswegs freiwillig in die Grotte gehen.
Und nicht nur aus diesem Grund. Er wußte, daß Marcus Appleton diesen Schritt von ihm erwartete.
Wenn er an die Zukunft dachte, kam sie ihm wie eine endlose Straße vor. Es gab nur diese eine Straße, die unendlich lang war und von der er nicht wußte, wohin sie führte.
Er schlief ein, und gegen Abend begann er von neuem seine Wanderung.
Als er die Gasse betrat, in der das Essen für ihn bereitgelegt wurde, war es schon dunkel. Das Paket lag noch nicht da. Er war also zu früh gekommen. Der Mann hatte die Abfalleimer noch nicht geleert.
Er zog sich in eine dunkle Nische zurück und kauerte sich nieder.
Eine Katze strolchte auf leisen Pfoten zu ihm herüber. Sie war scheu und wachsam. Dann aber schien sie entschieden zu haben, daß er ungefährlich war, denn sie setzte sich und begann sich die Pfoten zu lecken.
Die rückwärtige Tür des Restaurants ging auf. Ein heller Lichtstreifen trennte das Dunkel. Der Mann mit seiner weißen Schürze trat ins Freie. Mit der Rechten hatte er den Abfalleimer gegen die Hüfte gepreßt, in der Linken trug er das Paket.
Frost erhob sich und trat einen Schritt auf die Straße zu. In diesem Augenblick hörte er einen schwachen Knall. Der Mann mit der weißen Schürze blieb in verkrampfter Haltung stehen. Sein Kopf war zurückgeworfen. Langsam rutschte ihm der Abfalleimer aus der Hand. Asche und Gemüsereste ergossen sich über den Randstein.
Frost sah einen Augenblick das Gesicht des Mannes – ein weißer Fleck mit einem dunklen Streifen, der vom Haaransatz ausging.
Dann lag der Mann zusammengekrümmt am Boden, und der Korb rollte langsam auf die Straße hinaus.
Frost trat noch einen Schritt vor, doch dann blieb er horchend stehen.
Die Katze war verschwunden. Nichts rührte sich. Man hörte keine Schritte.
Frosts Gehirn verkrampfte sich. Eine Falle!
Ein Toter, und er auf der Lauer. Frost war sicher, daß sich irgendwo die passende Pistole finden würde.
Und das bedeutete seinen Tod. Den endgültigen Tod. Denn ein Mann, der kaltblütig seinen Wohltäter niederschoß, durfte nichts anderes als den Tod erwarten.
Es war völlig gleichgültig, ob er den Mann umgebracht hatte oder nicht – die Verhandlung würde wie die erste verlaufen.
Er wirbelte herum und warf einen Blick auf die Häuserwände. Die Gebäude, zwischen denen er stand, waren aus Backstein. Beide hatten zwei Stockwerke. Aber ein Stückchen weiter hinten war früher einmal ein Schuppen an die Wand gebaut gewesen. Der Schuppen war längst verschwunden. Doch aus der Mauer ragten in V-Form Ziegel hervor, die früher die Dachstütze gebildet hatten.
Frost nahm drei Schritte Anlauf und sprang nach oben. Seine Finger bekamen die Ziegel zu fassen, und einen Augenblick hing er in der Luft. Er hatte Angst, daß die Ziegel nachgeben oder seine Finger abrutschen könnten. Aber alles ging glatt, und er konnte sich nach oben ziehen. Seine Muskeln arbeiteten mit ungeahnter Kraft, während er einen Ziegel nach dem anderen überwand. Schließlich konnte er mit dem
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