Geschäfte mit der Ewigkeit
daß sie nichts mehr unternehmen soll. Es hat keinen Zweck.«
Chapman sah ihn ernst an. »Ich werde es ihr ausrichten.«
»Ihnen muß ich auch danken. Sie hätten sich nicht von Ann überreden lassen sollen.«
»Als sie von Ihnen sprach, hätte ich von selbst alles getan, um Sie zu suchen.« Wieder warf ihm Chapman einen ernsten Blick zu. »Ich habe eine Frage. Wie geschah alles? Sie sagten Ann, daß Sie in Schwierigkeiten wären. Wahrscheinlich hat jemand gegen Sie intrigiert.«
»Ja.«
»Sie möchten mir nicht mehr darüber sagen?«
»Nein. Sie und Ann würden die Sache vielleicht weiterverfolgen. Und das dürfen Sie nicht. Es wäre umsonst. Es ist alles legal in den Akten festgehalten.«
»Sie werden also gar nichts unternehmen?«
»Im Augenblick nicht. Eines Tages rechne ich mit Appleton ab ...«
»Dann war es also Appleton?«
»Wer sonst?« fragte Frost. »Aber jetzt gehen Sie lieber. Ich spreche zuviel. Es hat keinen Sinn, Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen.«
Chapman stand langsam auf. »Schön«, sagte er. »Ich gehe. Aber nicht gern. Sieht nicht so aus, als hätte ich viel erreicht.«
Er ging zur Tür, doch dann drehte er sich noch einmal um.
»Ich habe eine Pistole«, sagte er. »Wenn Sie ...«
Frost schüttelte heftig den Kopf. »Nein«, sagte er wütend. »Was wollen Sie von mir? Daß ich mir selbst mein letztes Recht nehme? Lassen Sie die Waffe lieber verschwinden. Sie wissen, daß es verboten ist, eine zu besitzen.«
»Das ist mir egal«, sagte Chapman. »Ich behalte sie. Ich habe noch weniger zu verlieren als Sie.«
Er ging endgültig auf die Tür zu.
»Chapman?« sagte Frost leise.
»Vielen Dank, daß Sie gekommen sind. Es war nett von Ihnen. Ich habe die Beherrschung verloren.«
»Ich verstehe schon«, erwiderte Chapman.
Dann war er draußen, und die Tür quietschte in den Angeln. Frost hörte, wie er die Treppe nach oben ging und wie seine Schritte auf der Gasse allmählich leiser wurden.
23
Würde der Flieder in tausend Jahren immer noch so süß duften? Mona Campbell sog die Luft tief ein. Konnte man in tausend Jahren immer noch vor einer Wiese mit Narzissen stehen? Oder gab es dann keinen Raum mehr für Narzissen oder Flieder?
Sie schaukelte langsam hin und her. Den Schaukelstuhl hatte sie auf dem Speicher gefunden und heruntergetragen. Sie hatte ihn abgestaubt und die Spinnweben entfernt, und nun saß sie am Fenster und sah in die Dämmerung des Spätjunitages. In einer Weile würden die Glühwürmchen schwärmen. Sie brachten aus dem Tal immer den leichten Geruch von Nebel mit.
Sie saß da und schaukelte, und die Milde des Sommerabends hielt sie gefangen. In diesem Augenblick gab es auf der ganzen Welt nichts Wichtigeres als hierzusitzen und zu schaukeln, aus dem Fenster zu sehen und zu beobachten, wie das Grün langsam in Schwarz überging. Die Schatten wurden tiefer, und die Kühle der Nachtstunden ließ nur noch eine schwache Erinnerung an die Mittagssonne.
Aber hier und jetzt, so flüsterte eine hartnäckige kleine Stimme in ihrem Innern, war der richtige Ort und die richtige Zeit, um zu einer Entscheidung zu kommen.
Doch das Flüstern starb in der Stille und der tiefer werdenden Dunkelheit. Und das Märchenhafte versuchte die Vernunft zu verdrängen.
Ein Märchen, dachte sie – natürlich muß es ein Märchen sein. Denn diese Dämmerung, der Geruch der frischen, feuchten und neu erwachten Erde, konnten nicht wirklich sein. Der Geruch der kraftvollen Erde, die huschenden Lichter der Glühwürmchen, die Dunkelheit – das alles sprach von Zyklen. Und das Leben und der Tod mußten auch ein Teil dieses kosmischen Zyklus sein.
Diesen Gedanken durfte sie nicht vergessen. Aber sie wußte, daß er ihr entgleiten würde. Denn es war kein Gedanke, wie ihn die Jugend hervorbrachte. Da saß sie, eine ungepflegte Frau in mittleren Jahren, die sich zu lange mit völlig unweiblichen Dingen beschäftigt hatte. Welche Frau beschäftigte sich mit Mathematik, außer wenn es um das Wirtschaftsgeld ging? Und was hatte eine Frau mit dem Leben zu tun? Gut, sie schuf neues Leben und sie pflegte es. Aber das war alles.
Und weshalb war sie, Mona Campbell, dazu verurteilt, eine Entscheidung zu treffen, die nur Gott treffen sollte?
Wenn sie nur wüßte, wie die Welt in tausend Jahren aussehen würde – nicht äußerlich, denn Äußerlichkeiten zählten nicht viel. Aber wie würde es im Herzen der Menschheit aussehen, in den Herzen der Männer und Frauen? Denn es war eine
Weitere Kostenlose Bücher