Geschäfte mit der Ewigkeit
Zeitreisen bergen also mehr Probleme in sich, als wir dachten ...«
»Nein«, erklärte sie. »In Wirklichkeit ist die Sache ganz einfach. Die Antwort auf die Frage nach der Zeitreise lautet: Es gibt sie nicht und wird sie nie geben.«
»Nie?«
»Nie. Sie können sich nicht in der Zeit bewegen, und Sie können auch nicht die Zeit selbst bewegen. Es ist einfach unmöglich. Sie ist zu stark mit der Universalmatrix verwoben. Mit Zeitreisen werden wir unsere überschüssige Bevölkerung nicht los. Entweder kolonisieren wir andere Planeten, oder wir bauen Satellitenstädte im Raum, oder wir verwandeln die Erde in ein einziges, riesiges Mietshaus – wahrscheinlich müssen wir all das tun. Die Zeit war natürlich der einfachste Ausweg. Deshalb interessierte sich das Ewigkeits-Zentrum so sehr dafür.«
»Aber sind Sie wirklich sicher? Können Sie so sicher sein?«
»Ich habe es errechnet«, sagte sie. »Nicht mit unserer Mathematik. Mit der Mathematik der Hamalier.«
»Ich weiß«, sagte er. »Wir erfuhren, daß Sie auf diesem Gebiet arbeiteten.«
»Die Hamalier müssen ein merkwürdiges Volk gewesen sein«, sagte sie leise. »Ein unheimlich logisches Volk, das nicht nur die Oberfläche der Dinge erforschte, sondern sich mit den Wurzeln des Universums beschäftigte. Sie dachten über das Bestehen und den Zweck des Universums nach, und dazu entwickelten sie eine Mathematik, die nicht nur dazu diente, die Logik zu fördern, sondern die gleichzeitig ein Ausdrucksmittel der Logik war.«
Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
»Ich habe das Gefühl, daß sie schließlich zur letzten Wahrheit durchdrangen«, sagte sie. »Wenn es etwas wie die letzte Wahrheit gibt. Ich jedenfalls glaube, daß sie es schafften.«
»Aber andere Mathematiker ...«
»Ja, auch andere Mathematiker haben sich mit der Hamal-Mathematik befaßt. Und sie wurden verwirrt, weil sie in ihr nur ein System von Axiomen sahen. Es gab Symbole, Formeln und Behauptungen. Unsere Mathematiker kamen nicht dahinter, daß sie mehr darstellten als Gleichungen ...«
»Aber das bedeutet, daß wir warten müssen«, rief er. »Die Menschen in den Grotten müssen warten. Sie müssen warten, bis wir einen Platz – oder viele Plätze – für sie gefunden haben, bis wir andere Sonnensysteme mit erdähnlichen Planeten entdeckt haben. Es gibt natürlich genug solcher Planeten, aber sie sind alle wie Hamal IV. Sie müssen im Laufe langer Jahrhunderte erdähnlich gemacht werden, und während dieser Zeit vermehrt sich die Bevölkerung immer stärker.«
Er sah sie mit schreckgeweiteten Augen an. »Das können wir nie mehr aufholen.«
Nein, das konnten sie nicht aufholen. Sie hatten schon zu lange gewartet. Sie hatten gewartet, weil sie geglaubt hatten, die Zügel fest in der Hand zu halten. Weil sie glaubten, es sich leisten zu können. Weil sie glaubten, daß die Zeitreise greifbar nahe war. Und nun war das Projekt undurchführbar.
»Die Zeit ist ein Faktor der Universalmatrix«, sagte Mona Campbell. »Raum ist ein weiterer Faktor, ebenso wie die Relation Masse/Energie. Sie sind alle voneinander abhängig und miteinander verflochten. Man kann sie nicht trennen. Man kann sie nicht zerstören oder verschieben.«
»Wir haben die Einstein-Grenzen aufgehoben«, sagte Frost. »Wir haben Dinge fertiggebracht, die jeder für unmöglich hielt. Vielleicht können wir ...«
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber ich glaube es nicht.«
»Sie scheinen darüber gar nicht bestürzt zu sein.«
»Das ist auch unnötig«, sagte sie. »Ich habe Ihnen noch nicht alles gesagt. Das Leben ist auch ein Faktor. Vielleicht sollte ich sagen, die Relation Tod/Leben, so wie ich vorhin Masse und Energie als Relation nannte.«
»Tod/Leben?«
»Ja. Man könnte es das Gesetz von der Erhaltung des Lebens nennen.«
Er erhob sich unsicher und ging die Stufen nach unten. Einen Augenblick blieb er stehen und sah über das Tal hinweg, dann kehrte er zu ihr zurück und setzte sich.
»Sie meinen, daß all die Arbeit, die wir uns machten, umsonst war?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie. »Ich habe darüber nachgedacht, aber bis jetzt weiß ich noch keine Antwort. Vielleicht werde ich sie nie wissen. Mir ist nur klar, daß das Leben nicht zerstört werden darf, daß man es nicht wie eine Kerzenflamme ausblasen darf. Tod ist die Umwandlung des Lebens in eine andere Form. So wie die Materie in Energie und Energie in Materie verwandelt werden kann.«
»Dann leben wir immer weiter, in einem ewigen
Weitere Kostenlose Bücher