Geschenke aus dem Paradies
gesehen hatte. Sie wandte als Erste den Blick ab. Sie hatte das Gefühl, als sei sie diejenige mit der heimlichen Affäre, nicht er.
»Das ist nicht wichtig«, erklärte sie so hochfahrend, wie sie es nur fertig brachte. »Was ich wirklich will, ist Folgendes: Ich möchte Pierce und Kerry Anne davon überzeugen, dass sie mit Abrahams Plänen weitaus besser fahren würden.«
»Chris Mowbray sagt, Gideon Freebodys Pläne seien auf jeden Fall die besseren, und ich gebe viel auf seine Meinung«, erwiderte Pierce. »Er hat eine Menge Erfahrung mit solchen Projekten.«
Das möchte ich wetten, dachte Nel. »Wie dem auch sei, im Hospiz wird eine Sitzung stattfinden, wegen des Bauvorhabens. Was nicht ganz klar ist – jedenfalls mir nicht –, ist die Frage, warum das Hospiz da mit hineingezogen wird.« Sie sah die beiden Männer an und hoffte, dass einer von ihnen ihr vielleicht einen Fingerzeig geben würde. Nichts.
»Oh. Ich glaube nicht, dass ich zu dieser Sitzung gehen muss.« Pierce, der jedes Interesse an dem Gespräch verloren hatte, stand auf und wandte sich in Richtung Herrentoilette. »Chris wird schon die richtigen Entscheidungen treffen.«
»Ich verstehe«, sagte Jake, als sie allein waren. »Und mir wolltest du nichts von dieser Sitzung im Hospiz erzählen?«
»Nein! Es ist nicht meine Sache, dich einzuladen! Du bist Pierce’ Anwalt. Er muss entscheiden, ob er dich dabeihaben will oder nicht.«
»Dann hättest du es mir also nicht als Freund erzählt?«
»Nein! Wir sind keine Freunde!« Und sie seufzte, viel zu tief.
Einen Moment lang schwieg er, dann fragte er: »Kann ich dir noch einen Drink holen?« Sie nickte. Sie hätte ablehnen sollen, war aber zu verzweifelt, um zu streiten. Während er die Getränke holte, sank sie auf ihrem Stuhl in sich zusammen und kämpfte gegen ihre Mutlosigkeit.
Er stellte ein Glas Whisky vor sie. »Also«, sagte er entschieden. »Dann will ich dir mal erzählen, was Sache ist. Du solltest übrigens wirklich nichts auf Gerüchte geben. Die Leute tratschen ständig, aber das bringt sie nur von der richtigen Fährte ab.«
»Ach ja?« Sie nippte an ihrem Drink und ermahnte sich zur Vorsicht, weil sie ihn sonst womöglich mit zwei Zügen geleert hätte. Ich werde noch zur Alkoholikerin, dachte sie.
»Ja. Da ich selbst unter Gerüchten gelitten habe, werde ich meinerseits keine Gerüchte weitergeben, aber ich wünschte doch, du würdest die Augen offen halten, dein Gehirn benutzen und darüber nachdenken, wer hier eigentlich die Guten sind.«
Nel betrachtete ihn eingehend. Er war so attraktiv, so gut aussehend. Es wäre so schön, ihn einfach als Ritter in glänzender Rüstung zu sehen und jedes Wort zu glauben, das mit seiner sexy Stimme über seine sexy Lippen kam. Aber sie wusste, dass sie das nicht tun durfte. Es wäre Wahnsinn gewesen, ihm jetzt zu vertrauen, und auch, wenn sie zu sieben Achteln in ihn vernarrt sein mochte, hatte sie nicht vollkommen den Bezug zur Realität verloren. Ausgerechnet Pierce rettete sie. »Noch einen Drink irgendjemand? Nein? Barkeeper! Noch ein Halbes, bitte.«
»Also, Pierce«, sagte Nel, die nur mit Mühe dem Drang widerstand, sich in ihrem Mantel zu verstecken und zu verschwinden. »Werden Sie zu der Sitzung kommen? Ich finde wirklich, dass Sie da sein sollten. Und Kerry Anne auch.«
Pierce seufzte. »Wenn Sie darauf bestehen. Aber es wird reine Zeitverschwendung sein.«
»Das wird es bestimmt nicht. Ich bin davon überzeugt, dass es Ihnen bei Ihrer Entscheidung zu guter Letzt sehr helfen wird. Ich finde, Sie sollten wissen, wie grässlich Gideon Freebodys Plan am Ende aussehen wird. Auf Wiedersehen. Danke für die Drinks.«
Dann griff sie nach ihrem Mantel und ging aus der Bar. Sie wusste sehr gut, dass die Angestellten und die Stammgäste, die sie kannten, noch lange Zeit über diesen Auftritt tuscheln würden. Sie konnte Jakes Blick spüren, der sich anklagend in ihren Rücken bohrte.
Als sie, so schnell sie konnte, den Hügel hinaufmarschierte, um den Schmerz und das Gefühl abgrundtiefer Verzweiflung zu lindern, die das Treffen ihr beschert hatte, fiel ihr etwas ein, das Vivian gesagt hatte. »Über die netten Bastarde kommt man viel schlechter hinweg als über die ekelhaften.« Jake war ein netter Bastard, aber ein Bastard war er trotzdem.
Fleur sauste im Haus herum, auf der Suche nach irgendetwas. »Oh Gott, Mum, dem Himmel sei Dank, dass du wieder da bist. Ich kann das Packband nicht finden.«
Sam, Nels Ältester, hatte
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