Geschenke aus dem Paradies
dass Jake Demerand nicht nur der attraktivste Mann war, der ihr seit Jahren begegnet war, er war einer der attraktivsten Männer, die ihr jemals begegnet waren. Und die Tatsache, dass offensichtlich eine Art Funken zwischen ihnen übergesprungen war, machte die Dinge auch nicht besser. Er war der Feind. Sie machte ihn noch mehr für die Baupläne verantwortlich als seine Mandanten. Wahrscheinlich hatte er sie überhaupt erst auf die Idee gebracht.
»Ich gehe dann besser mal«, sagte Nel, nachdem sie Vivian bei einem hastigen Drink einen kurzen Bericht über ihre Begegnung mit dem Vorsitzenden der Fußballmannschaft, auch bekannt als Jake Demerand, gegeben hatte. »Heute Abend muss ich zu den gefürchteten WW, und ich habe mich vor Weihnachten das letzte Mal dort sehen lassen. Ich habe bestimmt zehn Pfund zugenommen.«
Vivian gähnte. »Wenn es so wäre, hättest du es an den Kleidern gemerkt.«
»Ich glaube, ich habe sie einfach ausgedehnt. Ich ruf dich an, falls irgendetwas Interessantes passiert.«
»Ich will alles hören, was interessant ist«, sagte Vivian. »Nicht nur Dinge, die mit dem Hospiz oder dem Bauernmarkt zu tun haben.«
»Beides ist eng miteinander verbunden. Der Bauernmarkt ist ein hübsches kleines Zubrot für das Hospiz.«
»Oh, schwirr schon ab zu deiner Selbstfolter!«
Nel traf gerade noch rechtzeitig ein, bevor die Sitzung losging. Es war ihr zu spät bewusst geworden, dass man den Weißwein, den sie getrunken hatte, vielleicht in ihrem Atem riechen konnte. Außerdem trug sie nicht die geziemend leichte Kleidung, mit der sich noch ein Pfund auf der Waage gutmachen ließ.
Sie holte ihr Portemonnaie hervor und suchte vergeblich nach ihrer Karte, die sie schließlich zuallerunterst in ihrer Handtasche fand. Sie bezahlte die Gebühr, anschließend zog sie, während sie alles in einer Hand hielt, mit der anderen ihre Stiefel aus und ging zur Waage, wo die Gruppenleiterin wartete. Dann warf sie alles auf den Boden und sagte: »Es tut mir furchtbar Leid, ich hab’s einfach nicht geschafft. Na ja, genau genommen ist es mir immer so gegangen ...« Wie gewöhnlich machte Nel in diesem qualvollen Augenblick jämmerliche Scherze, als könne Niedergeschlagenheit die grässliche Wahrheit irgendwie abwehren. »Ich war vor Weihnachten das letzte Mal hier, aber das wissen Sie ja.«
»Kein Problem, Sie sind ja jetzt hier«, sagte die junge und hübsche Frau, die Gerüchten zufolge drei Kinder hervorgebracht hatte, ohne auch nur ein einziges Pfund auf ihren gertenschlanken Hüften davon zurückzubehalten. »Wie sind Sie denn mit den Festtagen klargekommen?«
»Nun ja, um ehrlich zu sein, ich habe nicht an die Diät gedacht. Ich habe einfach gegessen, was ich wollte.«
Sie stand auf der Waage, zog den Bauch ein und hielt den Atem an, um sich leichter zu machen.
»Nun! Das muss eine Premiere sein! Sie haben zwei Pfund abgenommen! Wissen Sie, wie Sie das gemacht haben?«
Nel zuckte die Achseln, hocherfreut, aber vollkommen ratlos. »Ich bin wahrscheinlich einfach viel hin und her gelaufen.«
»Bewegung.« Die Gruppenleiterin gab Nel ihre Karte zurück. »Ich sage meinen Damen immer, dass sie sich aufraffen und sich bewegen sollen!«
Nel lächelte, nahm das Büchlein entgegen, das ihrer Karte folgte, und hob ihre Stiefel auf. Ob es wohl als Bewegung galt, sich ein Fußballspiel anzusehen, ging es ihr durch den Kopf. Oder musste man selbst mitspielen?
Da sie die Prozedur nicht aufhalten wollte, kaufte Nel mehrere Schachteln mit Weight-Watcher-Schokoriegeln und klemmte sie unterm Kinn fest, ängstlich darauf bedacht, die Flucht zu ergreifen, bevor die Gruppenleiterin ihr ein schlechtes Gewissen machen konnte, wenn sie vor dem Vortrag wieder ging. Sie wusste durchaus, dass es half, zu bleiben, aber sie hatte einfach keine Zeit dazu. Also stolperte sie unter der Last schmackhafter Schokoriegel durch die Tür, die Stiefel noch in der Hand und wohl wissend, dass sie ganz rot im Gesicht war.
Was hatte sie denn nun anders gemacht?, überlegte sie. Sie hatte während der Feiertage so oft auswärts gegessen. Vielleicht lag es daran, dass sie im Restaurant stets Salat bestellt hatte, und wenn sie zu Hause geblieben war, hatte sie häufig Nudeln gegessen. Vielleicht sollte sie ein Diätbuch mit dem Titel Gehen Sie jeden Abend auswärts essen schreiben – es könnte ein Begleitband für Vivs Fit für eine Affäre werden.
Nel blieb wie angewurzelt stehen. Sie mochte ihren Augen nicht trauen. Als sei eine finstere
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