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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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Diskussionen also auch sparen, das kostet uns beide weniger Nerven.«
    Ich drehte mich zur Wand. Mama sagte zuerst gar nichts, dann streichelte sie mir über den Rücken. Nach zwei Minuten war ich nicht mehr sauer und drehte mich wieder zu ihr.
    »Ich muss dir noch etwas sagen: Ich werde kein Abi machen und gehe auf die Realschule.«
    »Was?« Mama sah mich erschrocken an. »Das ist jetzt ein Scherz, oder?«
    »Nein, das ist kein Scherz!«
    »Was ist denn das für eine Schnapsidee? Wieso solltest du denn auf die Realschule gehen? Wenn du lernst, kommst du doch gut mit in der Schule! Und du wolltest doch immer Ärztin werden. Das geht nur mit Abitur.«
    Ich setzte mich im Bett auf. »Ja, das weiß ich. Deshalb will ich ja auch kein Abitur mehr machen.«
    Mama sagte nichts mehr. Dann fragte sie: »Wie kommst du auf die Idee? Ist am Wochenende irgendwas passiert?«
    Ich erzählte ihr von dem Besuch von Onkel Hans und Tante Elke und davon, dass meine Mutter so mit mir angegeben hatte. Mir wurde ganz heiß und ich fing an zu weinen.
    »Beruhige dich, Schatz, und schlaf dich erst mal gesund. Wenn du dich erholt hast, reden wir noch mal in Ruhe darüber.«
    Ich schlief wieder ein.
    Als ich zwei Tage später wieder in der Schule war, kam der Gedanke trotzdem zurück. Ich fragte Silvia, deren Bruder auf der Realschule war, wo die eigentlich ist und ob es da leichter wäre. Sie sagte ja, Mathe und so wäre schon leichter. Ihr Bruder musste nicht so viel lernen wie sie und machte viel Sport. Das hörte sich gut an, fand ich. Ich war eben nicht wie meine Geschwister, die immer ruhig zu Hause saßen und brav alles machten, was die Eltern sagten. Ich liebte es, zum Sportverein oder ins Tanzen zu gehen und mich nachmittags draußen rumzutreiben und mit Freunden zu treffen.
    Der Gedanke, etwas zu tun, das sowohl Mama und Papa als auch meine Mutter und Helmut richtig Scheiße fanden, gab mir ein gutes Gefühl. Ich würde mir da nicht reinreden lassen. Vor allem nicht von meiner Mutter, die so schlimm egoistisch war, dass ich sie am liebsten nie wiedersehen wollte. Immer entschied sie alles nur so, wie es für sie am besten war. Ich würde jetzt endlich mal etwas selbst bestimmen. Wie es für mich am besten war. Ich würde nie so werden, wie meine Mutter es wollte. Sogar Mama konnte mich nicht dazu zwingen, weiter aufs Gymnasium zu gehen! Sie war ja sowieso nicht meine Erziehungsberechtigte.
    Mama hatte zuerst gedacht, ich würde meine Meinung noch einmal ändern. Wir führten endlos lange Gespräche. Sie sagte ganz oft:
    »Aber Janine, damit gibst du dich doch erst recht geschlagen. Wenn du jetzt wegen ihr etwas nicht machst, was du dein ganzes Leben machen wolltest, dann hat sie doch gewonnen!«
    Doch das sagte sie nur, damit ich auf dem Gymnasium blieb, meine Mutter sich nicht aufregen und Mama keinen Vorwurf machen konnte. Und damit die vom Jugendamt nicht motzten.
    Papa redete auf mich ein: »Du bist noch so jung. Verbau dir doch jetzt nicht alle Chancen. Das ist doch dumm! Und so unnötig.«
    Kerstin ging extra mit mir alleine in ein Café und lud mich zu einem Kakao ein, um mir zu erzählen, wie toll sie ihr Studium fand.
    Ich kämpfte weiter und versuchte, die ganze Zeit ruhig zu bleiben. Meistens schaffte ich das auch. Manchmal nicht, dann schrien alle rum und ich knallte meine Zimmertür zu. Kurz vor Weihnachten kam ich aus der Schule nach Hause, warf meinen Schulranzen in den Flur und sagte zu Mama:
    »Wenn du mich da weiter hinschickst, gehe ich einfach nicht mehr hin. Ich setze da keinen Fuß mehr rein.« Ich wusste, dass das heftig war. Aber ich wusste auch, dass ich das, was ich wollte, mit wirklich allen Mitteln durchboxen musste. Schließlich waren vier Erwachsene und das Jugendamt gegen mich.
    »Wenn du das wirklich willst, unterstütze ich dich. Aber mach mir später niemals Vorwürfe, dass wir dich vom Gymnasium genommen haben. Mach mir niemals Vorwürfe, dass wir dir Chancen verbaut hätten oder nicht versucht hätten, dich zur Vernunft zu bringen«, sagte Mama. Sie war traurig, aber das war mir jetzt egal.
    Ich hatte es geschafft!
    Im Januar gab es noch ein Gespräch mit dem Direktor des Gymnasiums. Ich musste dort zusammen mit Mama hin. Er sagte zu ihr:
    »Frau Kunze, wie können Sie das Kind jetzt von der Schule nehmen? Das ist doch überhaupt nicht nötig! Die Noten sind doch passabel und aufgeweckt, wie Janine ist, sehe ich da viele Möglichkeiten!«
    Meine Mutter nickte und erklärte, dass ich unbedingt auf

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