Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)
zu.
»Keine Ahnung«, presste Papa zwischen den Zähnen hervor.
Ich hoffte inständig, dass meine Mutter den Saal verlassen würde. Doch sie blieb sitzen, strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und lächelte zuckersüß zur Richterbank. Ich ballte meine Fäuste unter dem Tisch.
Frau Antunes kam hinter ihrem Tisch hervor zu uns herüber und begrüßte mich.
»Wieso ist sie noch hier?«, zischte ich. »Ich hatte gesagt, ich will nicht, dass sie dabei ist, wenn ich befragt werde!«
»Sie hat darauf bestanden, tut mir leid«, flüsterte Frau Antunes.
Sie bekam einfach immer ihren Willen. Es war zum Kotzen! Aber das konnten die mit mir nicht machen!
Ich schielte zu ihr hinüber. Bisher hatte ich sie ignoriert und das würde ich auch weiterhin tun.
Für ihre Verhältnisse sah sie heute richtig spießig aus. Ihre Haare waren hochgesteckt und sie trug ein eng anliegendes, dunkelblaues Kostüm mit einer weißen Bluse, die allerdings einen ziemlich tiefen Ausschnitt hatte. Die einzige Extravaganz, die sie sich leistete, waren rote Stöckelschuhe, die genau die Farbe ihres Lippenstiftes hatten. Sie lächelte zu mir herüber und winkte leicht mit den Fingern. Ich sah weg. Blöde Kuh! Die konnte mich mal!
»Janine, guten Tag und willkommen!«, sagte der Richter in meine Richtung. Alle Köpfe drehten sich zu ihm.
»Ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen, bist du damit einverstanden?«
Nur, wenn meine Mutter rausgeht!, dachte ich, traute mich aber nicht, es zu sagen.
»Deine Mutter haben wir bereits angehört, als du draußen gewartet hast, jetzt würde mich interessieren, wie du die ganze Situation siehst«, sagte er.
Ich merkte, wie ich innerlich zu glühen begann vor Wut. Meine Mutter hatten sie ohne mich angehört, aber sie durfte bleiben, wenn ich befragt wurde! Das war so ungerecht! Am liebsten wäre ich sofort aufgestanden und rausgerannt.
»Zunächst: Was gefällt dir an der gegenwärtigen Situation nicht und warum sollte sie deiner Meinung nach geändert werden?«, fuhr der Richter fort.
Ich antwortete nicht. Ich würde hier nicht dafür betteln, dass passierte, was mir zustand. Und wenn sie sich alle auf den Kopf stellten!
»Janine? Hast du meine Frage verstanden?«
Ich sagte keinen Ton und starrte geradeaus.
»Na gut, versuchen wir es vielleicht zuerst anders: Warum möchtest du deine Mutter nicht mehr besuchen?«
Frau Antunes sah mich an und nickte mir ermutigend zu. Ich dachte mir nur: Ihr könnt mich alle mal.
»Janine?«
Ich sah den Richter an und versuchte, so viel Verachtung wie möglich in meinen Blick zu legen. Wer sich über meinen einzigen Wunsch hinwegsetzte, bekam eben einfach keine Antworten. Fertig. Ohne meine Mutter hätte ich ihm alles erzählt. Aber ich konnte diese Dinge vor ihr nicht sagen! Das ging einfach nicht.
»Du musst ihm etwas antworten, Janine! Los, sag, was du zu sagen hast!«, flüsterte Papa neben mir.
»Janine, warum antwortest du nicht auf meine Fragen?«, fragte der Richter ungeduldig.
Ich schwieg.
Er versuchte es noch mit ein paar anderen Fragen und machte sogar einen halbherzigen Witz. Aber das konnte er einfach vergessen! Ich schwieg weiter.
Papa sah mich flehend von der Seite an, drückte meine Hand, bat mich flüsternd, den Mund aufzumachen.
Irgendwann schaltete sich Frau Antunes ein und sagte:
»Janine, du musst schon auf die Fragen des Richters antworten. Wenn du nicht redest, dann können wir hier auch nichts für dich regeln.«
Jetzt fing die auch noch an! Als ob es schon mal irgendetwas gebracht hätte, wenn ich redete. Jetzt war ich echt sauer!
»Ich rede seit so vielen Jahren! Von Ihnen hat doch nie jemand wirklich zugehört. Es hat nie jemanden interessiert, was ich sage! Ich musste die letzten zwei Jahre so darum kämpfen, dass ich nicht mehr dahinmuss. Ich hatte gesagt, dass ich hier unbedingt alleine, ohne meine Mutter, verhört werden will. Ich bin vierzehn und kein kleines Kind mehr. Ich hab das ernst gemeint. Und jetzt sitzt mir meine Mutter gegenüber! Es interessiert hier doch niemanden, was ich will oder was ich denke und fühle! Also brauch ich auch Ihre Fragen nicht zu beantworten. Sie beantworten sich die ja sowieso selber. Was ich sage, zählt bei Ihnen doch nichts. Sie haben doch schon längst entschieden. Dass meine Mutter hier sitzt, ist doch kein Zufall.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Die konnten mich alle mal!
Frau Antunes und der Richter sahen sich an.
»Na gut. Wie du willst.« Der Richter war ganz
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