Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)
Kassette aufzunehmen? Wollte er sich bloß über mich lustig machen, weil er genau wusste, dass ich auf ihn stand? Oder war er wirklich in mich verknallt?
Nach zwei Tagen Grübeln hatte ich keine Lust mehr. Ich beschloss, nicht länger darüber nachzudenken. Ich ließ mich doch von ihm nicht zum Idioten machen! Es gab schon genug schwierige Themen in meinem Leben.
Und außerdem noch etwas anderes, das wie geschaffen war, mich von der ganzen Sache abzulenken: Mein sechzehnter Geburtstag nahte! Zum ersten Mal wollte ich unten im Partykeller feiern. So wie Kerstin das immer machte.
Mama und Papa waren einverstanden, wenn ich nicht mehr als zwanzig Leute einlud und kein Alkohol getrunken wurde. Ich machte eine Liste: Kerstin und Stefan natürlich, Caro und ein paar andere Mädchen aus meiner Klasse, Silvia, Steffi und die Mädels aus der Tanzgruppe, Marco, Silvias Bruder, und ein paar von seinen Freunden, mit denen wir auch an Karneval gefeiert hatten. Ich stockte. Christian Engels? Ja, klar würde ich ihn einladen, es wäre superalbern, das nicht zu tun. Aber wenn er kam, musste ich auch noch seine beiden besten Freunde, Florian und Marc, einladen, sonst war es zu auffällig und jeder würde denken, ich wollte was von ihm. Meine Liste war fertig. Ich hatte an einem Dienstag Geburtstag, deshalb beschloss ich, dass die Party am Samstag danach stattfinden sollte.
Ich hatte Christian zweimal gesehen, seit er aus Österreich zurück war. Aber keiner von uns hatte die Kassette angesprochen. Es war wie verhext! Er tat einfach so, als hätte es diese Kassette gar nicht gegeben. Ob er bereute, sie mir geschenkt zu haben? Wir unterhielten uns über die Schule, das Skifahren, die aktuellen Charts und alles Mögliche. Das Einzige, worüber wir anscheinend nicht reden konnten, war diese Kassette. Oder das, was sie bedeutete. Warum war das so schwierig? Ich zählte die Tage, bis es endlich Samstag war. Ich war so gespannt, ob er mir etwas zum Geburtstag schenken würde. Und wenn ja, was.
Es dauerte ewig, aber irgendwann war der 24.März. Mama hatte ein richtiges kaltes Buffet aufgebaut. Mit verschiedenen Salaten, Frikadellen, Chili con Carne und kleinen Knoblauchbroten. Als Erstes kamen Silvia und Marco, der heute den DJ machte. Kurz danach kamen die Mädels aus der Tanzgruppe. Sie schenkten mir die CD von Sinéad O’Connor, auf der Nothing Compares 2 U drauf war. Das Lied hatte ich mir schon lange aufgenommen und hörte es rauf und runter. Endlich hatte ich die ganze CD . Ich freute mich total! Von meinen Eltern hatte ich eine Stereoanlage bekommen und jetzt konnte ich endlich in meinem Zimmer CD s hören.
Während meine Gäste im Partykeller rumstanden, sich unterhielten oder etwas aßen oder tranken, war ich die ganze Zeit zwischen Haustür und Partykeller unterwegs. Dauernd klingelte es und neue Leute kamen. Bei jedem Klingeln kribbelte es vor Aufregung in meinem Bauch. Aber immer war es jemand anderes. Um kurz vor neun, als alle anderen schon da waren, war es endlich so weit. Ich öffnete die Haustür und davor standen Christian, Flo und Marc. Christian küsste mich zur Begrüßung auf beide Wangen. Das hatte er noch nie gemacht. Flo und Marc gaben mir die Hand, gratulierten mir und grinsten breit.
»Hey, Janine, alles Gute zum Geburtstag. Das ist von uns«, sagte Christian und gab mir ein kleines weiches Päckchen.
»Was ist denn das?«, fragte ich.
»Pack’s aus, dann siehst du es«, sagte Christian und grinste.
Doch erst mal kam ich nicht dazu. Mama kam gerade aus der Küche. Flo gab ihr die Hand und sagte brav: »Guten Abend, Frau Kunze.«
»Mama, das hier sind Christian Engels und Marc Odenthal.« Beide gaben ihr die Hand.
»Ihr seid Freunde von Florian, nehme ich an?« Mama zwang sich zu einem Lächeln.
Flos Vater war Arzt und spielte im gleichen Tennisclub wie Papa. Mama und Papa hatten es nie ausdrücklich gesagt, aber ich wusste, dass sie Flo für einen reichen Schnösel und seine Eltern für Snobs hielten. Diese ganze Lacoste-Fraktion war nicht ihr Fall.
Christian und Marc nickten. »Ja, wir kennen uns von der Schule«, sagte Christian.
Na prima! Mama wusste natürlich, dass Flo auf eine Privatschule ging. Ihrer Meinung nach schickten reiche Eltern ihre Kinder auf Privatschulen, weil sie es auf einer normalen Schule nicht schafften. Privatschulen waren für Mama und Papa Schulen, auf denen man sich sein Abitur kaufen konnte.
»Kommt, lasst uns nach unten gehen!«, sagte ich und wollte die drei in
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