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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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Sinn konnte der Tod von Susanne Keller haben?
    Als ich am Tag nach Susannes Beerdigung aus der Bahn stieg, war ich völlig in Gedanken versunken.
    »Hallo, Janine!«
    Ich zuckte zusammen. Christian Engels! Den hatte ich ja völlig vergessen.
    »Was ist los, kennst du mich nicht mehr?«
    »Äh, doch, klar. Hi!«, sagte ich.
    »Warum bist du so komisch, Eisprinzessin? Ist irgendwas passiert?«
    Ich nickte. »Kanntest du Susanne Keller?«
    »Ach du Scheiße, du hast sie gekannt?«, fragte Christian zurück. »Ich hab gehört, was passiert ist. Total krass.«
    Er kannte Susanne nicht persönlich und war deshalb auch nicht auf der Beerdigung gewesen, aber natürlich hatte er davon gehört.
    Dieses Mal redete ich deutlich mehr als Christian, während er mich nach Hause begleitete. Beim letzten Mal war es umgekehrt gewesen. Ich erzählte ihm von all den Dingen, die mir in den letzten Tagen durch den Kopf gegangen waren.
    Zum Abschied sah er mich ganz ernst an und sagte: »Danke, dass du mir das alles erzählt hast. Ich kann dich verstehen.«
    Er drückte meine Hand und mir wurde ganz warm. Ich konnte nichts sagen, deshalb drehte ich mich einfach um und ging um die Straßenecke nach Hause.
    Am nächsten Tag stand er wieder an der Bahn und wartete auf mich. Wir schlenderten extra langsam durch die Straßen. Heute redete er wieder mehr. Dass ich gestern so offen gewesen war, war mir heute fast peinlich. Vielleicht war ja alles totale Grütze, was ich ihm da erzählt hatte? Aber hätte er mich dann heute wieder abgeholt? Wahrscheinlich eher nicht. Also wird es wohl okay gewesen sein.
    Als wir fast bei mir waren, griff er in seinen Rucksack und holte etwas heraus.
    »Für dich!«, sagte er und gab mir eine selbst aufgenommene Kassette.
    Ich wusste, dass ich rot wurde, aber das war mir egal.
    Ich sah mir die Kassette an. Er hatte sie nicht beschriftet. Auf dem Papier in der Kassettenhülle stand nur Für Janine . Sonst nichts.
    »Was ist da drauf?«
    »Hör’s dir einfach an!«, sagte er, lächelte und ging.
    Sobald das Mittagessen vorbei war, sprintete ich die Treppe hoch und legte die Kassette in den Rekorder. Das erste Lied erkannte ich sofort: Es war Kiss von Prince. Als der Refrain kam, bekam ich eine Gänsehaut.
    You don’t have to be rich to be my girl
    You don’t have to be cool to rule my world
    Dann verstand ich eine Zeile nicht und dann kam:
    I just want your extra time and your … kisss
    War das eine Botschaft an mich? Wollte er mit mir gehen? Mich küssen? Warum tat er es dann nicht einfach? Ich konnte es kaum erwarten, bis das Lied zu Ende war und ich die anderen Lieder hören konnte.
    Als Kiss vorbei war, hielt ich die Luft an. Zuerst kam gar nichts, dann klackte es leise und es begann … Kiss . Er hatte es noch einmal aufgenommen! Eine knappe Stunde später wusste ich: Nicht einmal, nicht zweimal, sondern ganze fünfzehn Mal hintereinander hatte er das Lied aufgenommen!
    Am nächsten Tag nach der Schule war ich total aufgeregt. Ich wollte nichts so sehr, wie Christian sehen. Gleichzeitig hatte ich vor nichts so sehr Angst. Was erwartete er jetzt von mir? Sollte ich ihn einfach küssen? Das würde ich mich niemals trauen! Als meine Haltestelle nahte, war mir schlecht vor Aufregung. Ich sah rüber zur Ampel, wo er sonst immer stand. Aber da war … niemand. War er zu spät dran?
    Ich ließ mir endlos Zeit beim Aussteigen. Als Letzte ging ich aus der Bahn. Als Letzte über die Ampel. Aber er war immer noch nicht da. Ich war maßlos enttäuscht. Wieso schenkte er mir so eine Kassette und war dann einfach nicht da? War es ihm peinlich? Tat es ihm leid? Oder hatte er es gar nicht so gemeint, wie ich es verstanden hatte?
    Plötzlich hatte ich Angst, dass er wieder für ein halbes Jahr aus meinem Leben verschwinden würde. Oder für immer. Dieses Gefühl kam mir bekannt vor. Alles in meinem Leben fühlte sich unsicher an. Es gab nichts, auf das ich mich wirklich verlassen konnte.

Endlich sechzehn
    We hurt the ones we love the most.
    SHAKESPEARS SISTER
    Wie ich einen Tag später von Silvia erfuhr, war Christian die nächsten zwei Wochen mit der Schule auf Skifreizeit in Österreich. Der hatte echt Nerven, mir so eine Kassette zu schenken und dann einfach zu verschwinden! Warum hatte er mir nicht erzählt, dass er für zwei Wochen wegfuhr?
    So konnte ich ihn nicht fragen, was er mir damit eigentlich hatte sagen wollen. Okay, ganz blöd war ich auch nicht. Aber warum redete er nicht einfach mit mir, statt mir eine

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