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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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hören. Ich überlegte. Ich konnte schlecht Nein sagen. So viel Stress, wie ich im Moment hatte, konnte ich mir zumindest diese Auseinandersetzung mit Mama sparen.
    »Ja, gut, können wir machen. Wann?«
    Wir verabredeten uns für den nächsten Tag abends. Ich würde mich nachmittags mit Christian treffen, aber abends hatte ich Zeit.
    Christian wartete schon, als ich am nächsten Nachmittag zum Klettergerüst ging. Er saß auf einer der Stangen und grinste. Ich war ein bisschen unsicher. Bisher waren wir immer nebeneinander hergelaufen, da konnte man außer reden nichts tun. Er machte schnell klar, was wir an diesem Tag tun würden: Er sprang vom Gerüst, nahm meinen Kopf in die Hände und küsste mich. Lange.
    Später redeten wir über alles Mögliche und ich beschloss, ihm von meiner leiblichen Mutter zu erzählen. Natürlich wusste er es schon. Er sagte, er würde sie gerne mal kennenlernen. Ich war mir nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Wir quatschten noch ein bisschen, dann musste ich zurück. Bevor ich ging, nahm er meine Hand und fragte:
    »Sag mal, meinst du, du kannst mal zu mir nach Hause kommen? Ich meine, hier am Klettergerüst, das ist ja nett, aber ich hätte gerne mal ein bisschen mehr Zeit mit dir. Ungestört. Und eine etwas gemütlichere Umgebung.« Er grinste.
    Ich kam mir blöd vor. Klar, was wollte ein Neunzehnjähriger, der so gut aussah und jedes Mädchen haben konnte, auch mit einer Sechzehnjährigen, die er bloß am Klettergerüst treffen konnte? Das war für ihn natürlich total langweilig.
    »Ja, ich überleg mal. Da fällt mir schon was ein«, sagte ich vage. Es musste eine Lösung geben! Ich wollte seine Freundin sein, aber das ging nur, wenn wir irgendwo Zeit miteinander verbringen konnten.
    Wir küssten uns zum Abschied, dann ging ich nach Hause. In einer Stunde würde meine Mutter mich abholen.
    Als sie vor der Tür stand, regte sich in mir gar nichts. Weder spürte ich die altbekannte Wut noch Freude oder etwas anderes. Ich hatte wohl wirklich mit ihr abgeschlossen. Wir begrüßten uns und ich bemühte mich, höflich und oberflächlich nett zu sein, wie man es wohl von mir erwartete. Wir fuhren zu einem italienischen Restaurant in der Innenstadt. Im Gegensatz zu früher fuhr sie selbst und holte mich nicht mit dem Taxi, mit dem Bus oder in Begleitung von Helmut ab. Ich war ihr dankbar, dass sie Helmut nicht mitgebracht hatte. Auf den konnte ich nach wie vor sehr gut verzichten. Wir setzten uns an einen Tisch ans Fenster.
    »Bestell dir ruhig ein Glas Wein, du bist ja jetzt schon fast erwachsen«, sagte sie.
    »Nein, danke, ich trinke keinen Alkohol«, antwortete ich. In diesem Punkt fiel es mir tatsächlich nicht schwer, Mamas Regeln zu befolgen: Alkohol und Zigaretten schmeckten mir überhaupt nicht. Ich konnte nicht verstehen, dass manche Freunde von mir so viel Aufhebens darum machten.
    Meine Mutter nickte. »Auch gut, ich trinke heute auch nichts, schließlich muss ich noch fahren.«
    Sie erzählte viel von Helmut und sich. Wohin sie in den Urlaub fuhren, was sie so machten. Die missglückte Adoptionsgeschichte vor zwei Jahren erwähnte sie mit keinem Wort. Ich tat es auch nicht.
    Sie trug die Haare jetzt etwas kürzer und war auch nicht mehr ganz so auffällig gekleidet, wie ich es in Erinnerung hatte. Sie hatte eine enge, schwarze Jeans an, trug einen breiten Gürtel und ein schlichtes Oberteil. Ich musste zugeben, dass sie sehr cool aussah. Trotzdem war sie mir fremd. Mir fiel gar nichts ein, was ich mit ihr reden sollte. War das, weil wir uns so lange nicht gesehen hatten, oder, weil wir uns nichts zu sagen hatten?
    »Und, hast du einen Freund?«, fragte sie mich plötzlich.
    »Äh … na ja, ich weiß nicht«, presste ich hervor. Ich hatte gar keine Lust, ihr von Christian zu erzählen.
    Sie grinste. »Aha. Wie heißt er denn?«
    »Christian.«
    »Und, wie lange seid ihr schon zusammen?«
    »Seit Samstag.«
    Sie prustete los. Das war blöd gewesen, jetzt lachte sie mich aus. Ich hätte ja auch einfach irgendetwas anderes erzählen können. Als sie merkte, dass ich das gar nicht lustig fand, hörte sie auf zu lachen und sagte:
    »Na ja, ist ja auch egal. Alles fängt irgendwann an. Vielleicht lerne ich deinen Christian ja mal kennen?«
    »Hm, mal sehen«, antwortete ich ausweichend.
    Sie wechselte das Thema: »Du hast ja gerade Geburtstag gehabt. Da wir uns so lange nicht gesehen haben, habe ich gedacht, ich warte unser Treffen ab, bevor ich dir etwas schenke. Gibt es

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