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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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zwingen müssen und mich so verbiegen müssen, dass ich irgendwann durchdrehen würde. Wenn ich aber weiterhin versuchte, so viel wie möglich von dem zu tun, was ich wollte, würde Mama irgendwann durchdrehen.

Christian
    Der Erfinder der Notlüge liebte den Frieden mehr
als die Wahrheit.
    JAMES JOYCE
    Die nächsten zwei Wochen waren die Hölle. Ich versuchte, möglichst alles richtig zu machen. Immer öfter packte ich die Klamotten, die ich anziehen wollte, in meine Schultasche und zog zum Frühstück Sachen an, über die sich Mama nicht aufregen würde. Vor der ersten Stunde zog ich mich dann auf dem Schulklo kurz um und schminkte mich.
    Ich sagte fast alle Verabredungen ab, ging nur noch zum Sport, zum Tanzen und zum Chor und blieb ansonsten so viel wie möglich zu Hause. Dazu musste ich mich richtig zwingen, denn dort war die Stimmung immer noch sehr angespannt. Stefan war mehr und mehr genervt, dass es immer nur um mich und meine Probleme ging. Wir redeten kaum noch miteinander. Kerstin machte sich Sorgen um Mama und war deshalb auch nicht gut auf mich zu sprechen. Papa arbeitete viel und war wenig zu Hause. Ich versuchte mich klein zu machen, keine neuen Probleme zu verursachen und verzog mich so oft es ging in mein Zimmer.
    Im Sommer würde ich Mittlere Reife machen, was danach kam, war noch völlig unklar. Zumindest bis zum Beginn meiner Krankenpflege-Ausbildung, die ich aber erst mit siebzehn beginnen konnte.
    Eine Woche nach dem schlimmen Gespräch mit Mama und der Diskussion über das Schwarzfahren kam Mama nachmittags in mein Zimmer. Sie sah ein bisschen entspannter aus als noch vor einer Woche.
    Ich saß am Schreibtisch und machte Hausaufgaben. Das kam nicht oft vor, aber ich war froh, dass Mama zur Abwechslung mal im richtigen Moment reingekommen war.
    Sie lächelte, als sie mich am Schreibtisch sah. »Janine, du lernst ja! Wie geht’s denn in der Schule? So schlecht waren deine Noten in letzter Zeit ja gar nicht.«
    »Nee, na ja, geht so. Ich bin froh, wenn es vorbei ist«, sagte ich vorsichtig. Was hatte sie vor?
    Sie setzte sich auf mein Bett und strich abwesend die Bettdecke glatt. »Ich wollte etwas mit dir besprechen. Du hast noch nicht entschieden, wie du das Jahr bis zum Beginn der Ausbildung überbrücken willst. Langsam nahen die Anmeldefristen für die verschiedenen Schulen. Wir müssen uns entscheiden.«
    Oh nein! Nicht wieder dieses Thema. Ich wollte am liebsten einfach ein Jahr jobben. Auf Schule hatte ich auf jeden Fall überhaupt keinen Bock mehr.
    »Ich hab mich da mal erkundigt. Am Sachsenring gibt es das Erzbischöfliche Berufskolleg. Dazu gehört eine Fachoberschule für soziale Berufe. Das würde doch passen, oder?«
    »Die Hauswirtschaftsschule?«, fragte ich entgeistert. Ein Mädchen aus der Gemeinde ging da hin. Aber was sollte ich denn mit Kochen, Putzen und lauter so einem Käse?
    »Na ja, wenn man nur ein Jahr dabeibleibt, ist es nur eine Hauswirtschaftsschule. Aber in zwei Jahren kann man sogar sein Fachabitur …«
    »Wie oft soll ich es eigentlich noch sagen! Ich werde kein Abi machen! Ich will das nicht und ich brauch das nicht! Und ich will auch nicht mehr darüber reden. Warum wollt ihr mich alle dazu zwingen, Abi zu machen?« Warum kam sie immer wieder damit an? Das Thema Abi war für mich gegessen. Und das würde es auch bleiben.
    Mama nickte. »Ja, ja, okay. Ist ja schon gut. Niemand will dich zwingen, Abitur zu machen. Aber du bist noch jung und vielleicht siehst du das in einem Jahr ja anders. Die Hauswirtschaftsschule wäre auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, das Jahr zu überbrücken. So oder so.«
    »Ich hab aber keine Lust mehr auf Schule, Mama. Ich such mir einen Job für das Jahr.« Es fiel mir schwer, einigermaßen ruhig zu bleiben.
    »Janine, diese Schule war doch nur ein Vorschlag. Jobben kommt überhaupt nicht in Frage und das weißt du auch. Das kann ich nicht verantworten, wir haben oft genug darüber gesprochen. Du kannst gerne auf eine andere Schule gehen im nächsten Jahr, aber arbeiten und rumhängen wirst du nicht«, Mamas Ton war bestimmt und duldete keinen Widerspruch. »Die Anmeldefrist für die Hauswirtschaftsschule ist in wenigen Wochen zu Ende. Wenn du bis nächste Woche keinen anderen vernünftigen Vorschlag hast, melden wir dich da an.«
    Damit stand sie auf und ging aus dem Zimmer.
    Natürlich fiel mir keine Alternative zur Hauswirtschaftsschule ein. Es ging mir total gegen den Strich, aber mir blieb schließlich nichts anderes

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