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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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uns mit einem langen Kuss und ich stieg auf mein Fahrrad.
    Hatte ich zu lange getrödelt? Waren Mama und Papa spät dran? Im Nachhinein war es egal, wo der Fehler lag. Ein dummer Zufall brachte den ganzen Plan zum Einsturz. Als ich in die Straße unserer Kirche einbog, kam mir ein silberner Passat entgegen. Mir stockte der Atem und das letzte Fünkchen Hoffnung verglomm, als ich Papas Gesicht hinter dem Steuer erkannte. Mama hatte mich schon gesehen. In ihrem Gesicht sah ich die entscheidende Frage: Warum kommst du von rechts und nicht von links, von wo du kommen müsstest, wenn du bei Silvia gewesen wärst?
    Mama genügten nur wenige Minuten, bis sie die Antwort selbst wusste. Als wir an der Kirche angekommen waren, fragte sie:
    »Wohnt Silvia jetzt in der gleichen Siedlung wie Christian Engels?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war mir so peinlich, dass ich kein Wort herausbrachte. Ich konnte sie noch nicht mal ansehen.
    »Wenn ich dir nicht vertrauen kann, dann …«, begann sie.
    Plötzlich wurde ich wütend. »Du vertraust mir doch sowieso nicht. Ganz egal, wie brav ich mich an die Regeln halte und was ich tue. Du wirst mir nie vertrauen. Egal, um was ich dich bitte, ich darf es nicht!«, sagte ich.
    Ich war so aufgeregt, dass ich lauter gesprochen hatte, als ich wollte. Ein paar von den anderen Kirchgängern, die sich vor der Kirche unterhielten, schauten zu uns herüber.
    »Wir reden später weiter, lass uns reingehen«, sagte Mama.
    Als wir wieder zu Hause waren, kochte Mama Tee und wir setzten uns an den Küchentisch. Sie sah sehr besorgt aus, aber gleichzeitig auch sehr sauer und erschöpft.
    »Warum hast du mich angelogen?«, fragte sie.
    Ich seufzte. »Mama, ich hab Scheiß gebaut. Ich hab dich angelogen und das tut mir wirklich leid. Aber hätte ich dich gefragt, ob ich bei Christian schlafen kann, hättest du mich im Leben nicht gehen lassen. Wahrscheinlich könnte ich noch fünfundzwanzig werden! Solange ich bei dir wohne, würdest du mir das nicht erlauben.«
    »Janine, du bist nicht fünfundzwanzig, sondern sechzehn!«
    Ich nickte. Da hatte sie natürlich recht.
    »Ja, ich weiß. Wenn es dich beruhigt, wir haben überhaupt nichts gemacht. Wir haben geredet und Musik gehört, sonst nichts.«
    »Ja, das wäre ja auch noch schöner! So weit kommt’s noch!«, rief sie.
    Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Es war falsch, dass ich sie angelogen hatte, das sah ich ein. Aber es war auch falsch, dass sie mir nicht vertraute. Noch nie vertraut hatte. Obwohl ich nie irgendetwas verbrochen hatte. Als ob ich von Anfang an das Problemkind gewesen war, weil ich nicht war wie ihre anderen Kinder.
    Wir schwiegen eine Weile, dann sagte sie: »Bitte tu mir das nicht an, dass du irgendwann schwanger nach Hause kommst.«
    Wie konnte sie so was von mir denken? Ich merkte, dass meine Wangen brannten. Ich schrie:
    »Ich hab dir doch gerade gesagt, dass wir nichts gemacht haben. Nichts! Verstehst du? Wie soll ich denn davon schwanger werden?« Es tat weh, dass sie mir so etwas zutraute. Ich lief aus der Küche und knallte die Tür zu. Was hatte ich hier eigentlich noch verloren?
    Als ich in meinem Zimmer war, hatte ich das Gefühl, dass gerade etwas endgültig zwischen Mama und mir zerbrochen war. Wie konnte sie denken, dass ich plötzlich schwanger nach Hause kommen würde? Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn ich so schnell wie möglich auszog. Etwas Positives schien hier sowieso keiner mehr von mir zu erwarten. Wahrscheinlich würde ich nachher für das Unglück der ganzen Familie verantwortlich gemacht. Und ich selbst würde meinen Weg auch nie finden, wenn ich weiterhin so kurz gehalten wurde.
    Wenige Tage später rief meine leibliche Mutter an und fragte, ob wir essen gehen wollten. Seit dem Wochenende nach meinem Geburtstag Ende März hatten wir uns nicht mehr gesehen und ich hatte kaum an sie gedacht. Zu Hause war nach wie vor schlechte Stimmung. Ich sagte zu. Schon allein, damit es nicht noch mehr Probleme gab. Obwohl Mama Angst davor hatte, dass es mit meiner Mutter wieder Streit gab, hatte ich das Gefühl, dass ich sie mit dem Treffen auch irgendwie verletzen konnte. Außerdem war das Treffen ein praktischer Vorwand, um einen Nachmittag bei Christian zu verbringen. Ich machte mit ihr aus, dass sie mich am späten Nachmittag dort abholen würde. Zu Mama sagte ich, dass ich gleich nach der Schule zu ihr ging. So hatte ich über zwei Stunden mit Christian. Was hatte es für einen Sinn,

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