Geschichte der deutschen Wiedervereinigung
abschließende Regelung in bezug auf Deutschland» unterzeichnet. Formell war er kein Friedensvertrag mit Deutschland, aber er übernahm die Funktion dieses 1945 in Potsdam angekündigten und nie realisierten Dokuments in Europa.
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag beschloss somit völkerrechtlich die Nachkriegszeit und regelte die offengebliebenen deutschen Fragen. Endgültig bestätigte er die Grenzen Deutschlands als die Außengrenzen von Bundesrepublik und DDR, er schrieb den deutschen Verzicht auf ABC-Waffen fest und fixierte die Obergrenze der deutschen Streitkräfte bei 370.000 Mann. Der verbindliche Abzug der sowjetischen Streitkräfte wurde auf Ende 1994 terminiert; bis dahin durften auf dem Gebiet der DDR nur in Bündnisstrukturen nicht integrierte deutsche Verbände stationiert werden, danach auch deutsche NATO-Truppen, nicht aber ausländische Truppen und Kernwaffen. Deutschland wurde das Recht der freien Bündniswahl und somit faktisch die NATO-Zugehörigkeit samt militärischer Verankerung im Westen zugesichert. Endgültig erloschen mit der Ratifikation die Vier-Mächte-Rechte über Deutschland, das seine volle Souveränität erhielt. Da die Vereinigung schon zuvor erfolgte – formell trat der Vertrag erst nach der sowjetischen Ratifikation am 15. März 1991 in Kraft –, setzten die Siegermächte ihre dementsprechenden Rechte zum 3. Oktober 1990 aus. Von seinem ersten Tag an war das vereinte Deutschland somit vollständig souverän.
Mit alledem hatte die Bundesrepublik mehr erreicht, als Helmut Kohl selbst in seinem Zehn-Punkte-Programm zu hoffen gewagt hatte: eine Vereinigung Deutschlands zu westlichen Maximalkonditionen, einschließlich der gesamtdeutschen Mitgliedschaft in der NATO. In ebenso großem Maße war dies ein Triumph der amerikanischen Politik, die ihre «Vier Prinzipien» für eine Vereinigung Deutschlands vom November 1989 ohne Einschränkungen durchgesetzt hatte und als einzige Weltmacht aus dem säkularen Ost-West-Konflikt hervorging. Selbst die zögerlichen Regierungen der europäischen Westmächte hatten, abgesehen von den ungeklärten allgemeinen Aussichten auf ein stärkeres, möglicherweise dominantes Deutschland in Europa, nach Maßgabe des Möglichen und gemessen an ihren Prinzipien Grund zur Zufriedenheit: die britische Regierung in sicherheitspolitischer Hinsicht, weil die NATO durch die Wiedervereinigung gestärkt wurde, die französische Regierung im Hinblick auf die substantiellen Fortschritte der europäischen Integration in der von ihr gewünschten Richtung.
Der große Verlierer des gesamten Prozesses war – gemessen an Gorbatschows Reformzielen ebenso wie an ihren Interessen als Großmacht – die Sowjetunion. Ihre Situation war freilich heillos. Das Ende des Imperiums war die logische Konsequenz der Reformpolitik Gorbatschows zur Rettung der maroden sowjetischen Wirtschaft, für die sich Moskau der äußeren Überlast entledigen musste. Schließlich zerfiel mit Gorbatschows Reformpolitik beides: das Imperium und die Sowjetunion selbst. Die sowjetische Führung war nicht in der Lage, den außer Kontrolle geratenen Prozess in ihrem Machtbereich noch zu ihren Gunsten zu gestalten.
Immerhin erhielt sie materielle Leistungen von der Bundesrepublik, ohne freilich einen wirklich hohen Preis zu erzielen. Und sie gewann eine neue Qualität im sowjetisch-deutschen Verhältnis. Über den konkreten Prozess der Wiedervereinigung hinaus leitete die Regierung Kohl/Genscher einen Paradigmenwechsel im deutsch-sowjetischen bzw. deutsch-russischen Verhältnis ein: eine mittelfristige Tradition prorussischer Politik des vereinigten Deutschland unter Hintanstellung schwerwiegender Gegengründe.Hinzu kam, dass der Westen sich bereit zeigte, die primär gegen die Sowjetunion gerichtete Militärstrategie der NATO zu revidieren. Auch wenn daraus keine neue verlässliche Sicherheitsarchitektur, keine dauerhafte russisch-westliche Partnerschaft hervorging, Moskau sich vielmehr, verlassen von den ehemaligen Vasallen, die in die NATO drängten, vorderhand weltpolitisch isoliert wiederfand – dem Westen gelang es doch, die säkulare Niederlage der Sowjetunion mit Respekt abzufedern und Moskau nicht noch weiter zu demütigen. Nach Maßgabe der Dinge war dies ebenso wenig selbstverständlich wie überhaupt der Umstand, dass die deutsche Frage letztlich und grundsätzlich im friedlichen Einvernehmen mit allen Beteiligten und europäischen Nachbarn und auf eine für alle Seiten akzeptable Weise
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