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Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

Titel: Geschichte der deutschen Wiedervereinigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Rödder
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dreizehntägigenParteitag abzuwarten, der am 1. Juli begann und durch die «Londoner Erklärung» der NATO flankiert wurde, die den Staaten des zerfallenden Ostblocks weit entgegenging. Sie versprach, wie Bush an Gorbatschow schrieb, eine «Transformation des Bündnisses in jedem Aspekt seiner Tätigkeit und insbesondere in seiner Beziehung zur Sowjetunion» – für die, so die Botschaft, die Mitgliedschaft eines vereinten Deutschland keine Bedrohung darstelle.
    Nach dem Parteitag sah die Bilanz für Gorbatschow vorderhand nicht schlecht aus: Der vielfach erwartete Aufstand aus der Partei war ausgeblieben; stattdessen hatte er sich durch die Untiefen des Konvents manövriert und seine Position an der Spitze einstweilen gefestigt. Unmittelbar nach dem Parteitag machte er deutschlandpolitisch reinen Tisch, als er eine Delegation aus Bonn unter Leitung von Helmut Kohl empfing.
    «Die Erde sei rund, und sie beide würden um sie herumfliegen» – so empfing Gorbatschow den deutschen Kanzler am Morgen des 15. Juli zum ersten Gespräch im Rahmen des Regierungsbesuchs, zu dem er Kohl nach Moskau und in seine kaukasische Heimat eingeladen hatte. Nach einer persönlichen und allgemeinen historisch-politischen Eröffnung, mit der sich Kohl, wie so häufig, um eine Atmosphäre des persönlichen Vertrauens bemühte, kam das Gespräch zum Punkt der Bündnisfrage, und Gorbatschow machte es kurz: «Die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO – hier ist die Frage klar. De facto dürfen nach der Vereinigung auf dem Territorium der heutigen DDR keine Streitkräfte der NATO stehen. Das betrifft die Übergangsperiode; danach ist das Problem nicht mehr akut.»
    Gorbatschow setzte die gesamtdeutsche NATO-Mitgliedschaft also voraus, und insofern musste weder in Moskau noch im Kaukasus, wie es oftmals heißt, ein «Durchbruch» in der Bündnisfrage erzielt werden. Doch steckte der Teufel im Detail konkreter Regelungen und Formulierungen, und hier war Gorbatschows Position auch nicht ganz klar. So blieb die deutschsowjetische Übereinkunft zu besiegeln, als sich die Delegationen am Nachmittag in den Kaukasus aufmachten. Nach langen und gewundenen Verhandlungen in Gorbatschows Haus einigtensich beide Seiten, dass die noch verbliebenen Vier-Mächte-Rechte mit der Vereinigung erlöschen sollten und Deutschland mit diesem Tag seine volle Souveränität erhalte. Einigung wurde auch über einen sowjetischen Truppenabzug innerhalb von drei bis vier Jahren erzielt, der von einem Überleitungsvertrag über deutsche Hilfen bei Wohnungsbau, Umschulung etc. begleitet werden sollte. Schließlich wurde die personelle Obergrenze der Bundeswehr auf 370.000 Mann festgelegt, was die zusammengezählten Streitkräfte von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee um 45 Prozent verringerte. Zugleich artikulierte Kohl die «Vision des umfassenden Vertrags», um «eine neue Qualität der Beziehungen einzuleiten».
    Diese Ergebnisse lagen nahe an der im Frühjahr bezogenen Maximalposition des Westens und übertrafen die ursprünglichen Erwartungen bei weitem. Über deutsche Kompensationen für die sowjetischen Konzessionen – konkret: über Geld – war freilich im Kaukasus nicht gesprochen worden. Gorbatschow pflegte einmal mehr seine Verhandlungspraxis, zunächst Zugeständnisse zu machen und anschließend Nachforderungen zu erheben. Dabei kam dem Kreml zugute, dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag, um zum Tag der deutschen Einheit wirksam werden zu können, am 12. September unterzeichnet werden sollte.
    Die sowjetischen Erwartungen kristallisierten sich vor allem am Überleitungsvertrag aus, namentlich an deutschen Hilfen beim Wohnungsbau und bei den Ab- und Umzugskosten. Wenn es nicht zu Lösungen komme, so ließ der stellvertretende Außenminister die sowjetischen Folterwerkzeuge aufblitzen, schlössen die Militärs einen Abzug binnen drei bis vier Jahren aus. Die sowjetischen Forderungen übertrafen die deutschen Vorstellungen bei weitem. Gegenüber der ursprünglichen internen Kalkulation von 4 Milliarden D-Mark und einem deutschen Angebot von 6 Milliarden beliefen sie sich Anfang September auf 18,5 Milliarden D-Mark. Wenige Tage vor dem geplanten Abschluss der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, ging es in der Tat um das, was man vorher so nicht hatte aussprechen wollen: den Preis für die Einheit. Nach harten telefonischen Verhandlungen ging Kohl schließlich über die intern gezogeneäußerste Verhandlungslinie hinaus und bot 12 Milliarden, aufgeteilt auf vier

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