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Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

Titel: Geschichte der deutschen Wiedervereinigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Rödder
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Jahre, sowie einen zinslosen Kredit mit fünfjähriger Laufzeit in Höhe von 3 Milliarden D-Mark. Dies führte zur Einigung.
    Hatte Gorbatschow die DDR und die deutsche Einheit an die Bundesrepublik verkauft? Das gesamte Volumen der deutschen ökonomischen Leistungen an die Sowjetunion im Zusammenhang der Wiedervereinigung lässt sich schwer beziffern. Es gab ja keinen formellen, festgesetzten «Preis» für die Einheit – vielmehr flossen Zahlungen in unterschiedlichen Zusammenhängen, die sich mehr oder auch weniger unmittelbar der Herstellung der deutschen Einheit zurechnen lassen. Die Garantien für Zahlungsbilanzkredite, Hilfen für den Aufenthalt, den Abzug und die Reintegration der sowjetischen Weststreitkräfte, Finanzierungskosten einschließlich der Zinskosten für den Transferrubelsaldo, der Finanzierungsaufwand für Beteiligungen der DDR an sowjetischen Investitionsprojekten, humanitäre und technische Hilfe sowie schließlich Exportkreditgarantien gemäß dem Partnerschaftsvertrag beliefen sich nach Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen auf 83,55 Milliarden D-Mark, ohne die letztgenannten Mittel für die Exportförderung auf ca. 55 Milliarden.
    Vergleicht man diesen Betrag mit anderweitig verwendeten Volumina – von den innerdeutschen Transfersalden für die deutsche Einheit ganz zu schweigen –, wird man bei diesen zwar hohen Summen doch nicht von einem «Kaufpreis» für die deutsche Einheit sprechen können; ein solcher hätte, wenn es der sowjetischen Seite allein um die materielle Bezahlung ihrer deutschlandpolitischen Konzessionen gegangen wäre, wohl deutlich höher liegen können. Die ökonomische Dimension war für das sowjetisch-deutsche Verhältnis und für die sowjetische Haltung im Wiedervereinigungsprozess ein wichtiger, aber nicht allein dominierender Faktor innerhalb eines in sich letztlich nie kohärenten Gesamtkalküls.
4. Deutsche Einheit und europäische Einigung
    Schon vor der deutschen Revolution war die europäische Integration in ein neues Stadium getreten. Im Juni 1989 hatten sich die Staats- und Regierungschefs in Madrid auf einen dreistufigen Ausbau der Europäischen Gemeinschaft zu einer Wirtschafts- und Währungsunion geeinigt. Zudem hatten sie die Umsetzung der ersten Stufe, den Abbau aller Beschränkungen im Kapital- und Devisenverkehr, zum 1. Juli 1990 beschlossen. Ob die europäische Wirtschafts- und Währungsunion wirklich eingeführt würde, war damit jedoch noch nicht unumkehrbar festgelegt. Entscheidender nämlich als die erste Stufe waren die zweite und die dritte: die Angleichung der Finanz- und Währungspolitiken der Mitgliedsstaaten in einem System fester Wechselkurse sowie die Einführung der einheitlichen Währung. Und darüber waren in Madrid noch keine definitiven Beschlüsse gefasst worden; der weitere Fortgang auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion setzte die Einberufung einer Regierungskonferenz voraus, und dieser Schritt war nach dem Madrider Gipfel erst noch zu tun.
    Er stand im zweiten Halbjahr 1989, während der französischen EG-Ratspräsidentschaft, ganz oben auf der Agenda der Pariser Europapolitik, und das hieß zugleich: der Deutschlandpolitik. Mitterrand gehe es, so hieß es im Bonner Kanzleramt, «in erster Linie und vor allem um die Wirtschafts- und Währungsunion – sie ist für die verbleibenden Jahre seiner Amtszeit das Ziel schlechthin.» Demgegenüber zielten die Interessen der Bonner Regierungszentrale in währungspolitischer Hinsicht vor allem auf die Sicherung der Geldwertstabilität sowie auf institutionelle Reformen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Ziel einer politischen Union Europas.
    Zwischen Bonn und Paris bestand somit ein grundsätzlicher Interessenkonflikt über die Richtung und den Fortgang der europäischen Integration. Auch ohne die Frage einer deutschen Wiedervereinigung waren die deutsch-französischen Regierungsbeziehungen im Herbst 1989 angespannt. Die französische Regierung fürchtete, Bonn könne sich der Wirtschafts- undWährungsunion wieder entziehen, und in der Tat blieben Kohls Vorstellungen deutlich hinter Mitterrands ambitioniertem Zeitplan zurück. Stattdessen versuchte Bonn, ein Junktim zwischen wirtschaftlicher und politischer Union herzustellen und deutsche Konzessionen in der Frage der wirtschaftlichen Union an französische Zugeständnisse hinsichtlich der politischen Union zu koppeln.
    Der Fall der Mauer und die Frage einer Wiedervereinigung veränderten die

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