Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
Künsten zu unterrichten. Sie setzte also einen Sohn und eine Tochter an den Sumpf Titicaca,
welcher 80 Meilen von Cuzco liegt, und gab ihnen eine zwei Finger dicke und eine halbe Elle lange goldne Ruthe mit der Weisung,
nach welcher Richtung sie wollten weiter zu gehen, überall wo sie sich zum Essen oder Schlafen niederließen die Ruthe in den
Boden zu stecken und sich da, wo diese nach dem ersten Stoße ihren Augen entschwinde, sich anzusiedeln. Die Kinder thaten
wie ihnen befohlen war, und nachdem sie einen weiten Weg nach Norden hin zurückgelegtund stets ihre Ruthe versucht hatten, kamen sie in dem Thale von Cuzco an einen Hügel, der Huanacauti heißt und südlich von
der Stadt Cuzco liegt. Hier versank ihre Ruthe bei dem ersten Stoße in den Boden. Beide trennten sich nun, der Sohn ging nach
Norden, die Schwester welche zugleich die Gemahlin des Sohnes war, nach Süden; allenthalben versammelten sie die in den Einöden
und Schluchten zerstreuten Männer und Frauen um sich, verkündeten ihnen daß die Sonne sie vom Himmel gesendet habe um die
Lehrer und Wohlthäter der Bewohner des ganzen Landes zu werden, sie ihrem thierischen Zustande zu entreißen und zu lehren,
wie Menschen zu leben, sie in Gemeinden und Städte zu vereinigen und ihnen statt ihres seitherigen nur für das Vieh geeigneten
Fraßes bessere, dem Menschen gebührende Nahrungsmittel zu zeigen. Die Wilden, überrascht durch die von der ihrigen völlig
verschiedene Kleidung und den Schmuck womit die Sonne ihre Kinder versehen hatte, sowie auch erstaunt über die durchbohrten
Ohren, welche jetzt noch eine Auszeichnung der Nachkommen der Incas sind, ließen sich durch das hehre Antlitz, die süßen Worte
und die großen Versprechungen ihrer Wohlthäter leicht bewegen ihnen Glauben zu schenken, ihnen zu folgen und sie als ihre
Gebieter anzuerkennen. Die Wilden verbreiteten die Nachricht von der Ankunft der Sonnenkinder und der von ihnen verheißenen
Wohlthaten so schnell, daß sich bald eine hinreichende Menge von Männern und Frauen einfand, um die Stadt Cuzco zu gründen
und zu bevölkern.
Der erste Inca hieß Manco Capac, seine Schwester und Gemahlin Mama Oello Huaco. Manco Capac lehrte die Männer das Feld bearbeiten
und bestellen, Getreide pflanzen, die Lebensmittel auf mancherlei Weise zubereiten, die nöthigen Werkzeuge verfertigen, Wagen
bauen und die durch das Thal fließenden Bäche zur Bewässerung der Felder benutzen; die Coya (Gemahlin des Inca) unterrichtete
die Frauen in den weiblichen Arbeiten, sie lehrte sie die Wolle spinnen und weben, Kleider für sich, ihre Männer und ihre
Kinder verfertigen und überhaupt alles was zum Hauswesen gehört, besorgen. – Die Zeit in welche die Cultivirung der Peruaner
fällt, läßt sich nicht mit Gewißheit bestimmen, doch waren die Incas als die Spanier das Land eroberten, sicher bereits über
400 Jahre im Besitze der Herrschaft. So versichert wenigstens der Inca Garcilaso de la Vega, welchen wir bis jetzt selbst
sprechenließen. Dieser Schriftsteller, welcher noch vieles durch die mündliche Ueberlieferung seiner Ahnen wußte, gibt auch ausführliche
Nachrichten über die Incas bis zur Ankunft der Spanier in Peru; wir können sie aber nicht mittheilen, da wir keine Geschichte
der Incas zu schreiben, sondern nur eine kurze Darstellung der Sitten und Gebräuche der Bewohner Peru's zu geben beabsichtigen.
Was übrigens die Incas für die Cultur und das Wohl ihres Volkes thaten, soll an den geeigneten Stellen seine Würdigung finden.
Eine Geschichte der häufigen Kriege dieses mächtigen Königsstamms gegen seine Nachbarn und seiner Eroberungen nach allen Richtungen
hin kann ohnehin den Leser, welcher nur ein klares Bild des Landes und seiner Bewohner überhaupt verlangt, unmöglich ansprechen.
Manco Capac, welchen man als den eigentlichen Begründer des peruanischen Reichs betrachten kann, ließ überall Städte und Dörfer
anlegen und brachte die unterworfenen Wilden auf eine gewisse Stufe von Cultur, indem er ihnen den schändlichen Götzendienst
untersagte, sie die Anbetung der Sonne lehrte, im Ackerbau und in vielen Gewerben unterrichtete und ihnen Gesetze und bessere
Sitten gab. Um sie von ihrem Hauptlaster, der Unzucht, abzubringen, verbot er ihnen ferner in irgend einer Weise die den Frauen
schuldige Achtung zu verletzen; befahl es sollte jeder nur eine Frau haben, die er, um die Vermischung der Familien zu verhüten,
aus
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