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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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ließen sie sie allein oder schickten sie weg. Und dieser hier, der sie eben erst so brutal behandelt hatte und jetzt neben ihren Knien saß, fragte sie scherzend, wie Hamlet Ophelia (Ophelia wegen O), ob er sich in ihren Schoß betten könne. Den Kopf an ihren Leib gelegt, betrachtete er ihre Eisen, die ihm über die Schulter fielen, von allen Seiten. Er knipste die Nachttischlampe an, um sie besser sehen zu können, las laut den Namen von Sir Stephen, der auf der Scheibe stand, und als er den Reitstock und die Peitsche bemerkte, die kreuzweise über dem Namen eingraviert waren, fragte er O, was Sir Stephen am liebsten verwende, den Stock oder die Peitsche. O antwortete nicht. »Antworte, Kleines«, sagte er zärtlich. »Ich weiß es nicht«, sagte O, »beide. Aber bei Norah war es immer die Peitsche.« - »Wer ist Norah?« Seine Stimme klang so ungezwungen, so vertraulich, er erweckte so sehr den Eindruck, daß es selbstverständlich sei, ihm zu antworten, daß es genau so sei, als ob man sich selbst antworte, als ob man laut mit sich selbst rede, daß O antwortete, ohne darüber nachzudenken. »Seine Dienerin«, sagte sie. »Also war es richtig, daß ich dich durch Jose peitschen ließ.« - »Ja«, sagte O dann. »Und von dir«, fragte der junge Mann, »was hat er da am liebsten?« Er wartete, O antwortete nicht. »Ich weiß es«, sagte er. »Liebkose mich auch mit dem Mund, O, ich bitte dich drum.« Und er rutschte hinauf, bis er über ihr war, und sie liebkoste ihn. Dann nahm er sie mit beiden Händen um die Taille, um ihr beim Aufstehen zu helfen, sagte »fein, fein, fein«, küßte ihre Brüste und schnürte ihr das Korsett. O ließ es geschehen, ohne ihm auch nur zu danken, betroffen von der Freundlichkeit, besänftigt: er hatte von Sir Stephen gesprochen. Als er ihr schließlich sagte, ehe er nach einem Diener klingelte, um sie zurückzubringen, nachdem sie ihr Kleid wieder angezogen hatte: »Ich werde dich morgen wieder kommen lassen, O, aber ich werde dich selbst schlagen«, da lächelte sie, weil er hinzufügte: »Ich werde dich schlagen wie er.«
Abends erfuhr O von Noelle, daß die Diener zwar die Mädchen in den Gemeinschaftsräumen nicht anrühren durften, mit Ausnahme des Refektoriums, wo sie zu befehlen hatten, daß die Mädchen aber überall dort (doch nur dort) ihrer Willkür preisgegeben waren, wohin ihr Dienst sie rief: in ihrem Zimmer, wenn sie dort allein waren, in den Umkleideräumen, notfalls auf den Korridoren oder in den Vestibülen. Der Zufall wollte es, daß es Jose war, der auf Francks Klingelzeichen hin kam. Er war jung, groß und kräftig; das von Natur aus arrogante Wesen der Spanier paßte zu seinem maurischen Gesicht. O wurde wieder von einer entsetzlichen Scham gepackt, als sie ihm auf klappernden Pantöffelchen den großen Korridor entlang folgte; nicht, weil er sie gepeitscht hatte, sondern weil sie sicher war, daß er glaubte, was Franck gesagt hatte, und er nicht daran zweifelte, daß sie ihn begehrte. Sie konnte den Gedanken an das, was ihr eines Tages ein Kolonialoffizier von maurischen Soldaten erzählt, nicht vertreiben: wenn sie können, dann tun sie den ganzen Tag nichts als Frauen beschlafen. Jose hatte noch nicht zehn Schritte getan, als er sich tatsächlich umdrehte, und bei der ersten besten Bank, die er an die Wand schob, damit sie bequemer sei, O packte und auf den Rücken legte. Er besaß sie in aller Muße, und O, wütend über sich selbst, aber aufgewühlt wie von einer Eisenstange, konnte ihrem Stöhnen nicht Einhalt gebieten. »Du bist zufrieden«, sagte er, »das gefällt dir wohl?« Seine weißen Zähne blitzten in dem dunklen Gesicht. O schloß die Augen, um sein Lächeln nicht zu sehen. Aber er beugte sich über sie und nahm ihre Zunge. Warum zitterte O bei dem Gedanken, daß Francks Tür sich öffnen könnte?
Im Umkleideraum im Erdgeschoß, wohin Jose sie dann brachte, fand O Noelle, die ihren Rock hochhielt, während ein Mädchen in Uniform, aber ohne Fichu, sie duschte. O hockte sich wie sie auf den türkischen Sitz neben dem ihren. Als das Wasser ganz aus ihr herausgeflossen war, wurde sie von demselben Mädchen einen Augenblick eingeseift, dann mit dem Wasserstrahl abgespült, der durch einen Fingerdruck auf eine Feder aus einem metallenen Spiralschlauch sprudelte; der Schlauch endete in einer dünnen Kanüle aus Hartgummi. Der Strahl war sanft, das Wasser aber sehr kalt, noch kälter, schien es ihr, als sie spürte, wie es sich in die Tiefe ihrer

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