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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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die an die Verurteilten der Frauengefängnisse oder an die Dienerinnen in Nonnenklöstern denken ließ. Aber nicht, wenn man genau hinschaute. Der weite, bauschige Rock, mit Taft in derselben Farbe gefüttert, war in großen, nicht eingebügelten Kellerfalten an einem fadengeraden Gurtband festgenäht, das auf das Korsett aufgeknöpft wurde, genau wie bei festlichen Abendkleidern. Aber obwohl der Rock geschlossen aussah, war er in der Mitte des Rückens von der Taille bis zu den Füßen offen. Wenn man nicht gerade an der einen oder anderen Seite an ihm zog, fiel es gar nicht auf. O merkte es erst, als er ihr angezogen wurde, und hatte es bei Monique nicht gesehen. Das Mieder, das auf dem Rücken geknöpft und über dem Rock getragen wurde, hatte kurze, ausgezackte Schöße, die den Beginn der Falten eine Handbreit überdeckten. Durch Abnäher und zwei elastische Keile war es eng anliegend. Die Ärmel waren angeschnitten, nicht eingesetzt, und hatten auf der Oberseite eine Naht, die die Schulternaht verlängerte und am Ellbogen in einem sehr breiten, ausgebauchten Schrägstreifen endete. Ein ebensolcher Schrägstreifen umrandete das Dekollete, das genau dem Ausschnitt des Korsetts entsprach. Aber ein großer viereckiger Schal aus schwarzer Spitze, dessen einer Zipfel, der den Kopf bedeckte, bis zur Mitte der Stirn herabhing, und dessen anderer Zipfel bis zu den Schulterblättern reichte, wurde mit vier Druckknöpfen gehalten, zwei auf der Schulternaht und zwei am Schrägstreifen des Dekolletes in Höhe des Brustansatzes, zwischen denen sich die beiden letzten Zipfel überkreuzten und von einer langen Stahlnadel auf dem Korselett festgehalten wurden. Die über die Haare gelegte und durch einen Kamm befestigte Spitze umrahmte das Gesicht und verhüllte die Brüste ganz, war aber so schmiegsam und durchsichtig, daß man den Warzenhof ahnte und begriff, daß sie unter dem Fichu frei waren. Im übrigen brauchte man nur die Nadel herauszuziehen, damit sie ganz nackt waren, ebenso wie man hinten bloß die beiden Seiten des Rocks auseinanderzuschlagen brauchte, damit die Kruppe nackt war. Ehe Monique ihr die Tracht raffte, zeigte sie O, daß zwei Bänder, die die beiden Bahnen anhoben und die auf der Vorderseite der Taille verknotet wurden, es einfach machten, sie offen zu halten. Das war der Augenblick, in dem Anne-Marie den Kernpunkt der von O gestellten Frage beantwortete. »Das ist die Uniform der Gemeinschaft«, sagte sie. »Du brauchtest sie bisher nicht, weil du durch deinen Geliebten auf seine eigene Rechnung hierher gebracht worden warst. Damals gehörtest du nicht zur Gemeinschaft.« - »Aber«, sagte O, »das verstehe ich nicht. Ich war doch wie die anderen Mädchen, jeder konnte...« - »Jeder konnte mit dir schlafen? Selbstverständlich. Aber das geschah, weil dein Geliebter dabei Lust empfand, und es ging nur ihn etwas an. Jetzt ist es anders. Sir Stephen hat dich der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt; ja, jeder wird mit dir schlafen können, doch das geht das Haus an. Du wirst dafür bezahlt.« - »Bezahlt!« unterbrach O sie. »Aber Sir Stephen...« Anne-Marie ließ sie nicht aussprechen. »Hör mal zu, O, das reicht jetzt. Wenn Sir Stephen will, daß du gegen Geld mit Männern schläfst, dann steht ihm das frei, glaube ich. Dich geht das nichts an. Schlafe und schweige. Was das übrige betrifft, was du sonst zu tun hast, so wirst du mit Noelle zusammenarbeiten, die es dir erklären soll.«
Das Mittagessen in Anne-Maries Boudoir war seltsam. Ein Diener hatte es auf einem Tisch mit Wärmeplatte gebracht. Monique in ihrer Uniform hatte serviert, nachdem sie die vier Gedecke hingelegt hatte: das von Anne-Marie, das von O, das von Noelle und das ihre. Vorher hatte O noch verschiedene Kleider anprobiert. Anne-Marie ließ für sie das Kleid in Grau und Gelb beiseite legen, das sie an diesem Tage tragen sollte, dann ein blaues, ein weiteres in einem matten Blau, grünmeliert, und schließlich ein sehr enges Kleid aus Jersey-Plissee, das vorn von der Taille an offen war. Es war dunkelviolett, und Os bleicher Schoß, durch die Ringe beschwert und so nackt, war selbst dann zu sehen, wenn sie sich nicht bewegte, ebenso wie ihre entblößten Brüste. In das Zimmer, das O bewohnen sollte und das mit dem von Noelle verbunden war, hatte der Diener alle beiseite gelegten Kleider mit Ausnahme des gelben gebracht. Die übrigen sollte Monique wieder in der Kleiderkammer abliefern. O sah, wie Noelle, die ihr gegenübersaß,

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