Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy
genau vor sich, den reglosen Mann. Das Schweigen war so bedrückend, daß O nicht einmal wagte, ihr Kleid zu bewegen: die Seide knisterte so laut. Sie stieß einen Schrei aus, als sie plötzlich ein Geräusch hörte: ein brünetter, stämmiger junger Mann im Reitanzug, einen Reitstock in der Hand, kleine vergoldete Sporen an den Stiefeln, war hereingekommen, indem er einfach über die Fensterbank gestiegen war. »Ein hübsches Bild«, sagte er, »ihr seid sehr brav, habt ihr keine Liebhaber? Seit einer Viertelstunde beobachte ich euch schon durch das Fenster. Aber die Schöne in Gelb«, fügte er hinzu und strich mit dem Ende seines Reitstocks über Os Brüste, die erschauerte, »du bist nicht so brav.« O stand auf. In diesem Augenblick kam Monique herein, das Kleid aus mauve Satin bis über den Schoß geschürzt, wo ein Dreieck aus schwarzem Vlies den Ausgangspunkt der langen Schenkel anzeigte, die O nur von hinten gesehen hatte. Ihr folgten zwei Männer. O erkannte den ersten wieder: es war derjenige, der ihr im vergangenen Jahr die Regeln von Roissy dargelegt hatte. Er erkannte sie auch und lächelte ihr zu. »Sie kennen sie?« fragte der junge Mann. »Ja«, antwortete der andere, »sie heißt O. Sie ist für Sir Stephen gezeichnet, der sie von René R. übernommen hat. Im vorigen Jahr ist sie ein paar Wochen hiergeblieben, Sie waren damals nicht da. Wenn Sie sie wollen, Franck...« - »Na, ich weiß nicht«, sagte Franck. »Aber Sie wissen nicht, was Ihre O gemacht hat in der Viertelstunde, in der ich sie beobachtet habe und sie mich nicht sah. Ununterbrochen hat sie Jose angeschaut, aber nicht höher als bis zum Gürtel.« Die drei Männer lachten. Franck packte O an der Brustspitze und zog sie zu sich. »Antworte, du kleine Nutte, worauf hast du Lust? Auf die Peitsche von Jose oder seinen Schwanz?«. Puterrot vor brennender Scham, verlor O jeden Maßstab für das, was erlaubt und was verboten war, fuhr zurück, riß sich von den Händen des jungen Mannes los und schrie: »Lassen Sie mich, lassen Sie mich!« Er fing sie wieder ein, als sie gegen einen Sessel getaumelt war, und brachte sie zurück. »Du darfst nicht weglaufen«, sagte er, »die Peitsche wird dir Jose sofort verabfolgen.« Ah, nicht stöhnen, nicht flehen, nicht um Gnade und Verzeihung bitten! Aber sie stöhnte und weinte und bat um Gnade, wand sich, um den Schlägen auszuweichen, versuchte, Francks Hände zu küssen, der sie hielt, während der Diener sie peitschte. Eins der blonden Mädchen und Noelle hoben sie auf und ließen ihr den Rock wieder herunter. »Jetzt werde ich sie mitnehmen«, sagte Franck, »meine Meinung werde ich Ihnen dann gleich sagen.« Aber als sie ihm in sein Zimmer gefolgt war und nackt in seinem Bett lag, sah er sie lange an, und ehe er sich neben sie legte, sagte er: »Verzeih, O, aber hat dich dein Geliebter auch peitschen lassen?« - »Ja«, sagte O, dann zögerte sie. »Ja, sprich«, sagte er. »Er beleidigt mich nicht«, sagte O. »Bist du sicher?« fragte Franck. »Hat er dich niemals Nutte genannt?« O schüttelte den Kopf, um nein zu sagen, und im selben Augenblick wußte sie, daß sie log: Sir Stephen hatte sie sehr wohl als Nutte bezeichnet, als er in dem Séparé bei La Pérouse von ihr sprach und sie den beiden Engländern auslieferte und verlangte, daß sie während des Essens ihre mißhandelten Brüste entblößte. Sie schaute auf und sah Francks Augen auf sich gerichtet, dunkelblau, sanft, fast mitleidig; er hatte verstanden, daß sie log. Sie murmelte und antwortete damit auf das, was er nicht gesagt hatte: »Wenn er es tut, dann hat er recht.« Er küßte sie auf den Mund. »Liebst du ihn so sehr?« fragte er. »Ja«, antwortete O. Darauf sagte Franck nichts mehr. Er liebkoste sie lange mit den Lippen in der Tiefe ihres Schoßes, bis sie keuchte und ihr der Atem stockte. Nachdem er dann in sie eingedrungen war, vertauschte er den Schoß mit den Lenden und rief sie leise: »O.« O spürte, wie sie sich zusammenzog um diesen Pfahl aus Fleisch, der sie ausfüllte und verbrannte. Er ergoß sich in sie und schlief dann plötzlich ein, sie an sich drückend, die Hände auf ihren Brüsten, seine Knie in ihre Kniekehlen gepreßt. Es war kühl. O zog das Laken und die Decke hoch und schlief auch ein. Der Tag ging zur Neige, als sie aufwachten. Seit wieviel Monaten war dies das erste Mal, daß O so lange in den Armen eines Mannes geschlafen hatte? Alle, und vor allem Sir Stephen, gingen mit ihr ins Bett, dann
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