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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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Restaurant nahmen sie zu viert einen Tisch. Die drei Männer, die Noelle beschlafen hatten, aßen zusammen an einem benachbarten Tisch. Noelle war, nachdem O sie verlassen hatte, fünf Minuten später durch die Tür verschwunden, die zu den Zimmern führte, gefolgt von einem Mann, der wie ein feister Syrer aussah. Franck kam gerade in dem Augenblick, als Yvonne und O, die keinen Likör getrunken hatten, darauf warteten, daß die Männer mit ihrem Cognac fertig würden. Er winkte O unauffällig zu und setzte sich allein in die Nähe eines Fensters. Aber O, die ihn etwas schräg von der Seite sah, bemerkte, daß er sofort, als das Mädchen, das ihn bedienen sollte, an seinen Tisch trat, mit der Hand in den Schlitz ihres Rocks gefahren war. Das war im Restaurant oder in der Bar, vorausgesetzt, es geschah diskret, die einzige Freiheit, die man sich herausnehmen durfte. Schließlich kam der Moment, an dem Yvonne fragte: »Wollen wir hinaufgehen?« Ein Hotelpage öffnete die beiden nebeneinander liegenden Zimmer, wies auf das Telefon und die Klingel hin und schloß die Tür. Ohne daß sie darum gebeten worden wäre, nahm O ihre Mantille ab und ging auf ihren Kunden zu, um ihm ihre Brüste darzubieten. Er saß auf einem Stuhl; der dreiteilige Spiegel, der in allen Zimmern an einer Seitenwand befestigt war, reflektierte sein Bild, und O, die ganz angezogen zwischen seinen Knien stand und sich vorbeugte, um es ihm bequemer zu machen, wunderte sich, daß sie es ganz natürlich fand, diesem Unbekannten ihre Brust hinzustrecken. Seit dem Morgen waren vier Männer, wie Anne-Marie sich ausdrückte, in ihren Körper eingedrungen: Sir Stephen, der Fahrer des Wagens, Franck und der Diener Jose. Dieser hier würde der fünfte sein: dieselbe Zahl wie Monique. Aber dieser würde bezahlen. Er sagte ihr, sie solle sich ausziehen, und als er sie im Korsett sah, hieß er sie innehalten. Ihre Eisen (von denen Yvonne nicht gesprochen hatte, als sie, da sie nichts weiter gefragt, wurde, erklärte: »unsere Armbänder sind dazu da, uns anzuketten, wenn wir gepeitscht werden«), ihre Eisen verblüfften ihn, und ebenso die beiden Wege, die sich ihm boten, als er O, die rücklings auf der Bettkante lag, unterhalb der Kniekehlen packte. Kaum hatte er sich aus ihr zurückgezogen, da sagte er: »Wenn du lieb bist, gebe ich dir ein gutes Trinkgeld.« Sie kniete sich hin. Er ging, ehe sie wieder angezogen war, und ließ eine Handvoll Scheine auf dem Kaminsims: ein Drittel von dem, was sie im Monat im Studio in der Rue Royale verdiente. Sie wusch sich, zog ihr Kleid wieder an, steckte die gefalteten Geldscheine unter ihr Korsett in die Höhlung zwischen ihren Brüsten und ging hinunter. Im übrigen hatte sie sich getäuscht, als sie annahm, sie habe dieselbe Zahl erreicht wie Monique: sie wurde, kaum daß sie in die Bar gekommen war, von einem weiteren Kunden erwählt, wieder in ein Zimmer geführt und ein sechstes Mal genommen.
Im Dunkeln, angekettet an dem Haken über ihrem Bett - wie damals in dem Zimmer vom vergangenen Jahr, von dem sie nicht wußte, wer es jetzt bewohnte - als sie im Dunkeln lag und nicht schlafen konnte, fragte sie sich zum hundertsten Male, warum jeder beliebige, ob sie nun dabei Lust empfand oder nicht, durch die Tatsache, daß er in sie eindrang oder sie nur mit der Hand öffnete oder sie schlug oder sogar bloß nackt auszog, die Macht hatte, sie sich Untertan zu machen. Von der anderen Seite der Trennwand, die dünn wie eine spanische Wand war und nicht länger als die Breite des Betts und der Nachttische, hörte sie, wie Noelle sich bewegte, die auch nicht schlief. Sie rief sie. Ob Noelle sich auch so unterworfen vorkomme, so besiegt und geknechtet wie sie, sobald man sie berühre? Noelle war entrüstet. Unterworfen, geknechtet? Sie tat, was nötig war, das war alles. Und besiegt? Warum besiegt? O sei sehr schwierig. Noelle fand es schmeichelhaft, wie Männer vor ihr steif wurden, manchmal fand sie es angenehm und immer amüsant, für sie die Beine oder den Mund zu öffnen. »Selbst bei dem Syrer heute abend?« fragte O. »Welchem Syrer?« sagte Noelle. »Diesem schwarzhaarigen, krausköpfigen mit dem gewaltigen Bauch, mit dem du hinaufgegangen bist, als wir in die Bar kamen.« Man kann es also vergessen, sagte sich O. Aber nein, Noelle antwortete: »Oh, wenn du den nackt gesehen hättest: ein fettes Schwein.« - »Siehst du wohl«, sagte O. - »Ach nein«, erwiderte Noelle, »was macht das schon. Er hat mich eine halbe

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