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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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ansah - er saß auf einem Barhocker (sie stand vor ihm) - sagte er mit seiner rauhen und schleppenden Stimme, die durch die Schwierigkeit, sich auf Französisch auszudrücken, und seinen germanischen Akzent noch bedächtiger klang: »Sie werden also gehorchen?« - »Ja«, sagte O. Oh ja, sie würde gehorchen! Er sollte ruhig glauben, daß sie ihm gehorchen würde. An Carl lag ihr gar nichts, aber daran, daß Sir Stephen, auf welche Weise auch immer, sich ihrer für seine Zwecke bediente, was diese Zwecke auch sein mochten! Sie sah Carl voll Sanftmut an: wenn sie es fertigbrächte, daß er Lust verspürt, wiederzukommen - daß Sir Stephen ihn in Paris festhalten wollte, das zumindest begriff sie, warum, das war ihr gleichgültig - wenn sie es fertigbrächte, würde Sir Stephen sie vielleicht belohnen, und vielleicht käme er sogar her.
Sie raffte die raschelnde Seide ihres Kleides zusammen, lächelte dem Deutschen zu und ging ihm voran ins Restaurant. Lag es an ihrer Sanftmut, die, wenn sie es wollte, sehr anmutig war, lag es an ihrem Lächeln, jedenfalls war sie überrascht, wie schnell das Eis schmolz, unter dem Carls Gesicht erstarrt war. Er bemühte sich während des Essens, höflich mit ihr zu plaudern. In einer halben Stunde erfuhr O mehr über ihn, als Sir Stephen ihr je erzählt hatte: daß er Flame sei, Geschäftsanteile im belgischen Kongo besitze, daß er drei- oder viermal im Jahr nach Afrika fliege und die Minen sehr viel Geld abwerfen. »Was für Minen?« fragte O. Aber er antwortete nicht. Er trank viel und hatte den Blick bald auf Os Lippen, bald auf ihre Brüste gerichtet, die sich unter der Spitze bewegten und von denen man manchmal durch eine Masche - so groß waren die Maschen - die geschminkte Spitze sah. Im Büro, in das O ihn dann führte, damit er ein Zimmer bestelle, sagte er: »Lassen Sie mir einen Whisky hinaufbringen und einen Stock.« Nachdem er sie genommen hatte, wie der Syrer Noelle genommen hatte und wie ja O selbst schon in Gegenwart von Sir Stephen von ihm genommen worden war, nachdem er sich von ihr hatte streicheln lassen und als er zum dritten Mal den Reitstock hob und Os Hände ergriff, die wider Willen flehentlich versuchte, seinen Arm aufzuhalten, dà las O in seinen Augen eine so unbändige Lust, daß sie wußte, sie habe nicht das mindeste Mitleid von ihm zu erwarten (was sie auch niemals erhofft hatte), aber sie wußte auch und vor allem, daß er wiederkommen würde.
Es geschah selten, daß Klubmitglieder oder Gäste, von einer Frau begleitet, ins Restaurant oder in die Bar gingen, aber dann und wann geschah es doch. Vorausgesetzt, sie waren in Begleitung eines Mannes, war Frauen der Eintritt nicht verboten, nicht einmal das Betreten der Zimmer. Der Mann, der sie mitbrachte, brauchte auch nicht extra zu bezahlen, nur ihre Getränke und die Mahlzeiten; auch ihren Namen brauchte er nicht anzugeben. Der einzige Unterschied, der in dieser Beziehung zwischen Roissy und einem gewöhnlichen Stundenhotel bestand, war, daß man zugleich mit dem Zimmer ein Mädchen nehmen mußte. In dem großen, überheizten Saal, wo gewaltige Philodendren und Farne an einer der Wände einen Treibhausgeruch verbreiteten, legten sie ihre Pelzmäntel und manchmal sogar ihre Kostümjacken ab. Ihr sicheres Auftreten, das vielleicht ihre Verlegenheit verbarg, ihre Neugier, die sie mit Unverschämtheit zu bemänteln trachteten, ihr Lächeln, das sie recht verächtlich zu machen versuchten und das gewiß oft mit wirklicher Verachtung gepaart war, erregten den Groll der Mädchen und amüsierten diejenigen der anwesenden Männer, die Stammgäste in Roissy waren, Mitglieder oder Kunden.
Während der acht Tage, an denen O mittags Dienst im Restaurant hatte, kamen drei Frauen an verschiedenen Tagen. Die dritte, die O sah, eine große, blonde, war in Begleitung eines jungen Mannes, der O schon an der Bar aufgefallen war. Sie setzten sich an einen der Tische, die von ihr betreut wurden, in einer Nische in der Nähe des Fensters. Fast sofort gesellte sich ein Klubmitglied mit Namen Michel zu ihnen und gab O ein Zeichen, sie solle kommen. Michel hatte einmal mit O geschlafen. Als der Mann ihn der jungen Frau vorstellte, hörte O, wie er hinzufügte: »meine Frau«. Sie trug einen Ehering, mit kleinen Diamanten besetzt, und einen fast schwarzen Saphir. Michel verbeugte sich und nahm Platz, und als der Oberkellner die Bestellung entgegengenommen hatte, sagte er zu O, die wartete: »Bring Madame das Album.« Die junge

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