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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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der Tagesordnung, erklärte die Vereinigung der Fabrikanten, die am Vorabend bereits gezwungen gewesen war, mit dem Sowjet in offizielle Verhandlungen zu treten, ihre Zustimmung zur Einführung des 8-Stunden-Tages und zur Bildung von Fabrikkomitees. Die Industriellen bewiesen mehr Weitsicht als die Strategen des Sowjets. Das ist nicht verwunderlich: in den Fabriken standen die Unternehmer von Angesicht zu Angesicht den Arbeitern gegenüber, die mindestens in der Hälfte der Petrograder Betriebe, darunter vorwiegend der größten, nach 8-stündiger Arbeit einmütig die Werkbänke verließen. Sie nahmen sich selbst, was ihnen Regierung und Sowjet versagten. Als die liberale Presse gerührt die Geste der russischen Industriellen vom 10. März 1917 mit der Geste des französischen Adels vom 4. August 1789 verglich, war sie der historischen Wahrheit viel näher, als sie es selbst geglaubt haben mag: ähnlich den Feudalen am Ende des 18. Jahrhunderts handelten die russischen Kapitalisten unter den Schlägen des Zwanges und hofften durch eine vorübergehende Konzession in die Lage zu kommen, später das Verlorene wieder einzuholen. Unter Verletzung der offiziellen Lüge gestand ein kadettischer Publizist offen: "Zum Unglück der Menschewiki haben die Bolschewiki die Vereinigung der Fabrikanten durch Terror bereits gezwungen, sich mit der sofortigen Einführung des 8-Stunden-Tages einverstanden zu erklären." Worin der Terror bestand, wissen wir schon. Die Arbeiterbolschewiki nahmen in dieser Bewegung zweifellos den ersten Platz ein. Und wiederum ging, wie in den entscheidenden Tagen des Februar, die erdrückende Mehrheit der Arbeiter mit ihnen.
    Mit sehr gemischten Gefühlen registrierte der von den Menschewiki geleitete Sowjet den gewaltigen Sieg, der eigentlich gegen ihn errungen worden war. Die beschämten Führer mußten jedoch einen Schritt weitergehen und der Provisorischen Regierung vorschlagen, noch vor der Konstituierenden Versammlung ein Dekret über den 8-Stunden-Tag für das ganze Land zu erlassen. Nach einer Übereinkunft mit den Unternehmern weigerte sich aber die Regierung, in Erwartung besserer Tage, die ihr ohne jeglichen Nachdruck gestellte Forderung zu erfüllen.
    Im Moskauer Bezirk begann der gleiche Kampf, nur nahm er einen schleichenderen Charakter an. Auch hier verlangte, entgegen dem Widerstande der Arbeiter, der Sowjet die Wiederaufnahme der Arbeit. In einer der größten Fabriken erhielt die Resolution gegen den Abbruch des Streiks 7.000 von 13.000 Stimmen. So ungefähr reagierten auch die anderen Betriebe. Am 10. März wiederholte der Sowjet den Beschluß, wonach die Arbeiter sofort in die Betriebe zurückgehen sollten. Obwohl daraufhin in den meisten Fabriken die Arbeit aufgenommen wurde, entbrannte fast überall der Kampf um die Verkürzung des Arbeitstages. Die Arbeiter korrigierten ihre Führer durch die Tat. Der sich lange sträubende Moskauer Sowjet war schließlich, am 21. März, gezwungen, durch einen eigenen Beschluß den 8-Stunden-Tag einzuführen. Die Industriellen unterwarfen sich unverzüglich. In der Provinz dauerte der Kampf noch bis in den April hinein. Fast überall bremsten die Sowjets anfangs die Bewegung und wirkten ihr entgegen; später traten sie, unter dem Druck der Arbeiter, mit den Unternehmern in Verhandlung; wo diese ihre Zustimmung verweigerten, waren die Sowjets gezwungen, den 8-Stunden-Tag eigenmächtig zu dekretieren. Welche Bresche im System!
    Die Regierung hielt sich absichtlich beiseite. Inzwischen wurde, dirigiert von den liberalen Führern, eine wütende Kampagne gegen die Arbeiter eröffnet. Um sie mürbe zu machen, beschloß man, die Soldaten gegen sie aufzuhetzen. Eine Verkürzung des Arbeitstages bedeutete doch Schwächung der Front. Dürfe man etwa während des Krieges nur an sich denken? Würden etwa in den Schützengräben die Stunden gezählt? Wenn die besitzenden Klassen den Weg der Demagogie beschreiten, machen sie vor nichts halt. Die Agitation nahm einen wüsten Charakter an und wurde bald in die Schützengräben übertragen. Der Soldat Pirejko gesteht in seinen Fronterinnerungen, daß die Agitation, hauptsächlich von neugebackenen Sozialisten aus dem Offiziersstande geführt, nicht ohne Wirkung blieb. "Aber das ganze Pech des Offiziersstandes, der es versuchte, die Soldaten gegen die Arbeiter aufzuhetzen, bestand darin, daß sie Offiziere waren. Zu frisch war noch in der Erinnerung eines jeden Soldaten, was früher der Offizier bedeutet hatte." Den

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