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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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für alle, die Rede des Vertrauten Kerenskis, des liberalen Sozialisten Stankewitsch: "Weshalb, Genossen, sollen wir "aufmarschieren"?" fragte er. "Gegen wen sollen wir Gewalt anwenden? Die ganze Macht, das seid ja ihr und die Massen, die hinter euch stehen ... Schaut hin, es fehlen jetzt noch fünf Minuten bis 7 Uhr [Stankewitsch streckt die Hand nach der Wanduhr aus, der ganze Saal blickt in die gleiche Richtung]. Verfügt, daß die Provisorische Regierung verschwinde, daß sie demissioniere. Wir geben es telephonisch weiter, und in fünf Minuten wird sie ihre Vollmachten niederlegen. Wozu da Gewalt, Aktionen, Bürgerkrieg?" Im Saal stürmischer Applaus, begeisterte Zwischenrufe. Der Redner wollte den Sowjet durch die extremen Folgerungen aus der entstandenen Lage schrecken, erschrak aber selbst vor dem Effekt seiner Rede. Die unverhoffte Wahrheit der Worte über die Macht der Sowjets hob die Versammlung hoch über das klägliche Getriebe der Führer, die am meisten darum besorgt waren, den Sowjet zu hindern, irgendeinen Beschluß zu fassen. "Wer wird die Regierung ersetzen?" erwiderte auf den Applaus einer der Redner. "Wir? Aber uns zittern die Hände ..." Das war eine unvergleichliche Charakteristik der Versöhnler, der hochtrabenden Führer mit den zitternden Händen.
    Der Vorsitzende des Ministerrats, Ministerpräsident Lwow, gab, gleichsam um Stankewitsch von der anderen Seite zu ergänzen, am nächsten Tage folgende Erklärung ab: "Die Provisorische Regierung fand bis jetzt unablässig Unterstützung seitens des führenden Organs des Sowjets. In den letzten zwei Wochen ... ist die Regierung unter Verdacht g3-stellt. Unter solchen Bedingungen ... ist es für die Provisorische Regierung das beste, zurückzutreten." Wieder sehen wir, welches die reale Verfassung des Februar-Rußland gewesen ist!
    Im Mariinski-Palais fand die Zusammenkunft des Exekutivkomitees mit der Provisorischen Regierung statt. In seiner Einführungsrede beklagte sich Fürst Lwow über den Feldzug, den die sozialistischen Kreise gegen die Regierung begonnen hätten, und sprach halb beleidigt, halb drohend von Demission. Der Reihe nach schilderten die Minister die Schwierigkeiten, zu deren Anhäufung sie aus allen Kräften beigetragen hatten. Dem Kontaktredeschwall den Rücken kehrend, sprach Miljukow vom Balkon aus zu kadettischen Demonstrationen: "Als ich die Plakate mit den Aufschriften "Nieder mit Miljukow" sah ... fürchtete ich nicht für Miljukow. Ich fürchtete für Rußland." So gibt der Historiker Miljukow die schlichten Worte wieder, die der Minister Miljukow vor der auf dem Platze versammelten Menge sprach. Ze-retelli forderte von der Regierung eine neue Note. Tschernow fand einen genialen Ausweg, indem er Miljukow vorschlug, in das Ministerium für Volksbildung überzugehen. Als Objekt der Geographie war Konstantinopel jedenfalls ungefährlicher denn als Objekt der Diplomatie. Miljukow weigerte sich aber entschieden, sowohl zur Wissenschaft zurückzukehren, wie eine neue Note zu schreiben. Die Führer des Sowjets ließen sich jedoch nicht lange bitten und gaben sich mit einer "Erläuterung" der alten Note zufrieden. Es blieb nur noch übrig, einige Phrasen zu finden, deren Verlogenheit hinreichend demokratisch verbrämt war, um die Lage - und damit gleichzeitig das Portefeuille Miljukows - als gerettet zu betrachten.
    Doch der unruhige Dritte wollte sich nicht beruhigen. Der Tag des 21. April brachte eine neue Erregungswelle, eine mächtigere als die des vorigen Tages. Jetzt rief bereits das Petrograder Komitee der Bolschewiki zur Demonstration auf
    Trotz der Gegenagitation der Menschewiki und Sozialrevolutionäre setzten sich ungeheure Arbeitermassen von der Wyborger Seite und dann auch von anderen Bezirken nach dem Zentrum in Bewegung. Das Exekutivkomitee schickte autoritative Ruhestifter, mit Tschcheidse an der Spitze, den Demonstranten entgegen. Doch die Arbeiter wollten entschieden ihr Wort sprechen, und sie hatten was zu sagen. Ein bekannter liberaler Journalist beschrieb in der Rjetsch die Arbeiterdemonstration auf dem Newskij: "Voran etwa 100 Bewaffnete; hinter ihnen geordnete Reihen unbewaffneter Männer und Frauen - Tausende von Menschen. Zu beiden Seiten lebende Ketten. Gesang. Ihre Gesichter verblüfften mich. Diese Tausende hatten ein Gesicht, das besessene, mönchische Gesicht der ersten Jahrhunderte des Christentums, unversöhnlich, erbarmungslos bereit zu Mord, Inquisition und Tod." Der liberale Journalist hatte

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