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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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der Arbeiterrevolution in die Augen geschaut und einen Moment deren konzentrierte Entschlossenheit gespürt. Wie unähnlich sind diese Arbeiter den Miljukowschen - für 15 Rubel pro Tag von Ludendorff gekauften Halbwüchsigen!
    Wie am Vorabend gingen auch diesmal die Demonstranten nicht darauf aus, die Regierung zu stürzen, obwohl die Mehrzahl von ihnen sicherlich über diese Aufgabe schon ernstlich nachdachte und ein Teil bereit war, die Demonstration schon heute über die Stimmung der Mehrzahl hinaus mitzureißen. Tschcheidse ermahnte die Demonstranten, in ihre Stadtviertel umzukehren. Die Anführer aber antworteten barsch, die Arbeiter wüßten selbst, was sie zu tun hätten. Das war ein neuer Ton, und Tschcheidse wird sich in den nächsten Wochen an ihn gewöhnen müssen.
    Während die Versöhnler beschwichtigten und löschten, provozierten und schürten die Kadetten. Obwohl Kornilow gestern die Sanktion zur Waffenanwendung nicht erhalten hatte, gab er seinen Plan nicht nur nicht auf, sondern traf im Gegenteil gerade heute seit dem frühen Morgen Maßnahmen, um den Demonstranten Kavallerie und Artillerie entgegenzustellen. Im festen Vertrauen auf die Bravour des Generals hatten die Kadetten durch ein Flugblatt ihre Anhänger auf die Straße gerufen, offen bestrebt, die Sache zum entscheidenden Konflikt zu treiben. Wenn auch ohne erfolgreiche Landung an der Dardanellenküste, setzte Miljukow mit Kornilow als Avantgarde und der Entente als schwere Reserve seine Offensive fort. Die hinter dem Rücken des Sowjets abgesandte Note und der Leitartikel der Rjetsch sollten die Rolle der Emser Depesche des liberalen Kanzlers der Februarrevolution spielen. "Alle, die für Rußland und dessen Freiheit sind, müssen sich um die Provisorische Regierung zusammenschließen und sie unterstützen", lautete der Aufruf des Zentralkomitees der Kadetten, der alle guten Bürger zum Kampf gegen die Anhänger des sofortigen Friedens auf die Straße rief.
    Der Newskij-Prospekt, die Hauptader der Bourgeoisie, verwandelte sich in ein kompaktes kadettisches Meeting. Eine große Demonstration mit den Mitgliedern des kadettischen Zentralkomitees an der Spitze bewegte sich zum Mariinski-Palais. Man sah überall neue, soeben aus der Werkstatt gekommene Plakate: "Volles Vertrauen zur Provisorischen Regierung", "Hoch Miljukow!" Die Minister sahen wie Geburtstagskinder aus: es hatte sich herausgestellt, daß auch sie ihr "Volk" hatten, was um so mehr auffiel, als die Abgesandten des Sowjets aus allen Kräften bemüht waren, die revolutionären Meetings aufzulösen, die Arbeiter- und Soldatendemonstrationen aus dem Zentrum in die Randbezirke abzuleiten und Kasernen und Fabriken vorn Ausmarsch zurückzuhalten.
    Unter der Flagge der Verteidigung der Regierung fand die erste offene und breite Mobilisierung der konterrevolutionären Kräfte statt. Im Zentrum der Stadt tauchten Lastautos mit bewaffneten Offizieren, Junkern, Studenten auf. Es marschierten die Ritter des Georgskreuzes. Die goldene Jugend organisierte auf dem Newskij ein Tribunal, das gleich an Ort und Stelle die Leninisten und "deutschen Spione" überführte. Es gab bereits Zusammenstöße und Opfer. Wie man berichtete, kam es zum ersten blutigen Zusammenprall, als Offiziere versuchten, Arbeitern ein Banner mit der Parole gegen die Provisorische Regierung zu entreißen. Die Zusammenstöße wurden immer erbitterter, es entstand eine Schießerei, die fast den ganzen Nachmittag dauerte. Niemand wußte genau, wer schoß und weshalb geschossen wurde. Aber es gab bereits Opfer dieser planlosen, teils böswilligen, teils panischen Schießerei. Die Temperatur erhitzte sich. Nein, dieser Tag ähnelte keinesfalls einer Manifestation nationaler Einheit. Zwei Welten standen einander gegenüber. Die patriotischen Kolonnen, von der Kadettenpartei gegen die Arbeiter und Soldaten auf die Straße gerufen, entstammten ausschließlich bürgerlichen Bevölkerungsschichten, dem Offiziersstande, der Beamtenschaft und der Intelligenz. Zwei Menschenströme, für Konstantinopel und für den Frieden, kamen aus verschiedenen Stadtteilen hervor, verschieden ihrer sozialen Zusammensetzung nach, schon äußerlich einander in nichts ähnlich, mit feindlichen Aufschriften auf den Plakaten prallten sie aneinander und setzten Fäuste, Stöcke, sogar Feuerwaffen in Bewegung.
    Das Exekutivkomitee erhielt die sensationelle Nachricht, Kornilow lasse auf dem Schloßplatz Kanonen auffahren. Aus eigener Initiative des

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