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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Zeitungen brachten schwindelerregende Zahlen über Kriegsgewinne. Das Lehen verteuerte sich. Die Arbeiter erwarteten Änderungen. Das technische und administrative Betriebspersonal schloß sich in Verbänden zusammen und stellte seine Forderungen auf; in diesen Kreisen herrschten die Menschewiki und Sozialrevolutionäre. Die Ordnung in den Betrieben ging in die Brüche. Alle Bande erschlafften. Die Perspektiven des Krieges und der Wirtschaft wurden nebelhaft, die Eigentumsrechte unsicher, die Gewinne sanken, die Gefahren stiegen, die Unternehmer verloren unter den Bedingungen der Revolution die Lust zur Produktion. In ihrer Gesamtheit beschritt die Bourgeoisie den Weg des ökonomischen Defätismus. Sie betrachtete die vorübergehenden Verluste und Nachteile durch die Wirtschaftsparalyse als
    Unkosten des Kampfes mit der Revolution, die die Grundlagen der "Kultur" bedrohte. Gleichzeitig beschuldigte die wohlgesinnte Presse die Arbeiter tagein tagaus, sie sabotierten böswillig die Industrie, plünderten das Material, vergeudeten sinnlos den Heizstoff, um Stillegungen herbeizuführen. Die Lügenhaftigkeit der Beschuldigungen überstieg alle Grenzen. Und da es die Presse der Partei war, die faktisch an der Spitze der Koalitionsregierung stand, übertrug sich die Empörung der Arbeiter natürlich auf die Provisorische Regierung.
    Die Industriellen hatten die Erfahrung der Revolution von 1905 nicht vergessen, wo die richtig organisierte Aussperrung bei aktiver Unterstützung der Regierung nicht nur den Kampf der Arbeiter um den Achtstundentag zum Scheitern gebracht, sondern auch der Monarchie bei der Niederschlagung der Revolution unschätzbare Dienste geleistet hatte. Die Frage der Aussperrung wurde auch diesmal im Rat der Tagungen von Handel und Industrie - diesen harmlosen Namen trug das Kampforgan des Trust- und Syndikatkapitals - zur Diskussion gestellt. Einer der Industrieführer, Ingenieur Auerbach, erklärte später in seinen Memoiren, weshalb der Aussperrungsgedanke abgelehnt worden war: "Das hätte den Schein eines Dolchstoßes in den Rücken der Armee gehabt ... Die meisten sahen die Folgen eines solchen Schrittes bei fehlender Unterstützung seitens der Regierung in recht düsteren Farben." Das ganze Unglück bestand im Fehlen einer "richtigen" Macht. Die Provisorische Regierung war durch die Sowjets, die vernünftigen Sowjetführer durch die Massen paralysiert; die Arbeiter in den Betrieben waren bewaffnet; außerdem hatte fast jede Fabrik in der Nachbarschaft ein befreundetes Regiment oder Bataillon. Unter solchen Bedingungen schien den Herren Industriellen die Aussperrung in "nationaler Beziehung odiös". Doch verzichteten sie keinesfalls auf den Angriff, sondern paßten ihn nur den Umständen an, indem sie ihm nicht einen zeitlich-einheitlichen, sondern einen schleichenden Charakter verliehen. Nach Auerbachs diplomatischem Ausdruck kamen die Industriellen "schließlich zu dem Ergebnis, daß der Anschauungsunterricht vom Leben selber erteilt werden wird: durch die unvermeidliche, sukzessive Schließung der Fabriken, sozusagen nacheinander - was man tatsächlich bald beobachten konnte". Mit anderen Worten, indem der Rat der vereinigten Industriellen die Aussperrung, weil "mit riesiger Verantwortung" verbunden, ablehnte, empfahl er seinen Mitgliedern, die Betriebe unter passenden Vorwänden einzeln zu schließen.
    Der Plan der schleichenden Aussperrung wurde mit bemerkenswerter Systematik durchgeführt. Die Vertreter des Kapitals, wie der Kadett Kutler, ehemals Minister im Kabinett Witte, hielten eindrucksvolle Referate über die Vernichtung der Industrie, wobei sie die Schuld nicht den drei Kriegsjahren, sondern den drei Revolutionsmonaten zuschoben. "Es werden zwei, drei Wochen vergehen", prophezeite der ungeduldige Rjetsch, "und die Fabriken und Werkstätten werden eine nach der anderen zu schließen beginnen." Hier war eine Drohung in die Form der Prophezeiung gehüllt Ingenieure, Professoren und Journalisten eröffneten in der allgemeinen Presse wie in den Fachorganen eine Kampagne, bei der die Zügelung der Arbeiter als Vorbedingung der Rettung dargestellt wurde. Der Minister Konowalow, Industrieller, erklärte am 17. Mai, dem Vorabend seines demonstrativen Austritts aus der Regierung: "Wenn in der allernächsten Zeit nicht eine Ernüchterung der benebelten Köpfe stattfinden wird, werden wir Zeugen dutzender und hunderter Betriebsschließungen sein."
    Mitte Juni fordert die Tagung für Handel und

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