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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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damaligen Petrograder Garnison zu erklären, die fast ausschließlich aus Reservetruppenteilen bestand, vor allem aus den 14 Reservebataillonen der Garderegimenter, die sich an der Front befanden. Außerdem gehörten zur Garnison: ein Reserve-Infanterieregiment, ein Radfahrer-Reservebataillon, eine ReservePanzerwagendivision, kleinere Sappeur- und Artillerietruppenteile und zwei Regimenter Donkosaken. Das war sehr viel, zu viel. Die aufgeschwemmten Reservetruppenteile bestanden aus Menschenmassen, die entweder fast keinen militärischen Drill durchgemacht oder aber sich bereits von ihm befreit hatten. So war eigentlich die gesamte Armee.
    Chabalow hielt peinlichst an dem von ihm ausgearbeiteten Plan fest. Am ersten Tag, dem 23., trat ausschließlich Polizei in Aktion. Am 24. schickte man hauptsächlich Kavallerie vor, die aber nur mit Nagajkas und Lanzen operierte. Das Einsetzen von Infanterie und Feuerwaffen machte man von der weiteren Entwicklung der Ereignisse abhängig. Die Ereignisse aber ließen nicht auf sich warten.
    Am 25. verbreitete sich der Streik noch mehr. Nach den Regierungsangaben beteiligten sich an ihm an diesem Tage
    240.000    Arbeiter. Die rückständigeren Schichten folgen der Avantgarde, es streiken bereits viele kleinere Betriebe, die Trams bleiben stehen, die Handelsunternehmen ruhen. Im Laufe des Tages schließen sich die Schüler der höheren Lehranstalten dem Streik an. Viele Zehntausende von Menschen strömen gegen Mittag vor der Kathedrale und in den anliegenden Straßen zusammen. Es werden Versuche gemacht, Versammlungen unter freiem Himmel abzuhalten. Es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen mit der Polizei. Beim Denkmal Alexander III. treten Redner auf. Die berittene Polizei eröffnet das Feuer. Ein Redner stürzt verwundet nieder. Schüsse aus der Menge töten einen Polizeiwachtmeister, verwunden einen Polizeimeister und einige Polizisten. Die Gendarmen werden mit Flaschen, Petarden und Handgranaten beworfen. Der Krieg hat diese Kunst gelehrt. Die Soldaten verhalten sich passiv, mitunter auch feindselig gegen die Polizei. In der Menge erzählt man sich erregt, daß die Kosaken, als die Polizisten am Denkmal Alexander III. die Schießerei eröffneten, eine Salve auf die berittenen Pharaonen (Spitzname für die Schutzleute) abgegeben hätten und diese flüchten mußten. Das ist sicherlich keine Legende, die man in Umlauf gesetzt hat, um sich Mut zu machen, denn die Episode wird in verschiedenen Variationen von verschiedenen Seiten bestätigt.
    Der Arbeiterbolschewik Kajurow, einer der echten Führer in jenen Tagen, erzählt, wie die Demonstranten an einem Platz, dicht bei einer Kosakenstreife, vor den Nagajkas der berittenen Polizei auseinanderliefen und wie er, Kajurow, und noch einige Arbeiter, den Flüchtenden nicht folgten, sondern die Hüte zogen und an die Kosaken mit den Worten herantraten: "Brüder Kosaken, helft den Arbeitern im Kampfe um ihre friedlichen Forderungen, ihr seht, wie die Pharaonen mit uns hungernden Arbeitern verfahren. Helft uns!" Dieser bedacht demütige Ton, diese Hüte in den Händen -welch feine psychologische Berechnung, welch unnachahmliche Geste! Jede Geschichte der Straßenkämpfe und revolutionären Siege ist voll solcher Improvisationen. Nur gehen sie im Wirbel der großen Ereignisse unter, den Geschichtsschreibern bleibt die Hülse der Gemeinplätze. "Die Kosaken sahen sich seltsam an", fährt Kajurow fort, "kaum hatten wir Zeit, beiseite zu treten, als sie sich ins Gemenge stürzten. Nach einigen Minuten hob die Menge am Bahnhofstor einen Kosaken auf ihren Händen hoch, der vor ihren Augen mit dem Säbel einen Polizeibeamten niedergehackt hatte."
    Die Polizei verschwand bald völlig von der Bildfläche, das heißt, sie begann aus dem Hinterhalt zu operieren. Dagegen erschienen Soldaten mit umgehängten Gewehren. Die Arbeiter riefen ihnen sorgenvoll zu: "Kameraden, seid ihr wahrhaftig gekommen, der Polizei zu helfen?" Die Antwort war ein barsches "Weitergehen!". Ein erneuter Versuch, ins Gespräch zu kommen, endete in gleicher Weise. Die Soldaten sind düster, etwas wurmt sie, auch sie ertragen es nicht mehr, wenn die Frage den Kern ihrer Not trifft.
    Die Entwaffnung der Pharaonen wird unterdes allgemeine Parole. Die Polizei ist der grimmige, unversöhnliche, verhaßte und hassende Feind. Sie zu gewinnen - davon kann keine Rede sein. Die Polizisten muß man schlagen oder erschlagen. Etwas ganz anderes ist das Heer. Die Menge vermeidet auf jede

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