Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Weise feindselige Zusammenstöße mit ihm, im Gegenteil, sie sucht die Soldaten zu gewinnen, zu überzeugen, herüberzuziehen, zutraulich zu machen, sich mit h-nen zu vereinen. Trotz den, wenn auch vielleicht etwas übertrieben günstigen Gerüchten über das Verhalten der Kosaken ist die Menge vor ihnen auf der Hut. Der Kavallerist ragt hoch über die Menge, und seine Seele ist von der Seele der Demonstranten durch vier Pferdebeine getrennt. Eine Gestalt, auf die man von unten emporblicken muß, erscheint immer gewichtig und bedrohlich. Die Infanterie steht da, gleich nebenan auf dem Pflaster, ist näher und erreichbarer. An sie bemüht sich die Masse dicht heranzukommen, ihr in die Augen zu blicken, sie mit ihrem heißen Atem zu umgeben. Eine große Rolle in den Beziehungen zwischen Arbeitern und Soldaten spielen die Frauen, die Arbeiterinnen. Kühner als die Männer bedrängen sie die Soldatenkette, greifen mit den Händen an die Gewehre, flehen, befehlen fast: "Wendet eure Bajonette weg, schließt euch uns an!" Die Soldaten sind erregt, beschämt, sehen sich unruhig an, schwanken, irgendeiner faßt als erster Mut - und die Bajonette erheben sich über die Schultern der Bedränger, die Barriere ist niedergerissen, ein freudiges, dankbares "Hurra!" erschüttert die Luft, die Soldaten werden umringt, überall Wortwechsel, Vorwürfe, Mahnrufe - die Revolution hat wieder einen Schritt vorwärts gemacht.
Aus dem Hauptquartier schickt Nikolaus einen telegraphischen Befehl an Chabalow, "gleich morgen" die Unruhen zu unterdrücken. Der Wille des Zaren entspricht dem weiteren Glied des Chabalowschen "Planes", so daß das Telegramm nur ein Anstoß mehr ist. Morgen sollen die Truppen ihr Wort sprechen. Ist es nicht zu spät? Das kann man vorläufig noch nicht sagen. Die Frage ist gestellt, aber längst nicht entschieden. Die Nachsicht der Kosaken, das Schwanken einzelner Infanterieketten sind nur vielverheißende Episoden, vom vieltausendfachen Echo der empfänglichen Straße wiederholt. Dies ist genügend, um die revolutionäre Menge zu begeistern, aber zu wenig für den Sieg. Um so mehr, als es auch Episoden entgegengesetzten Charakters gibt. In der zweiten Hälfte des Tages eröffnete, angeblich als Antwort auf Revolverschüsse aus der Menge, ein Zug Dragoner das erste Feuer auf die Demonstranten am Gostinyi Dwor: nach dem Bericht Chabalows an das Hauptquartier gab es 3 Tote und 10 Verwundete. Eine ernste Warnung! Gleichzeitig sprach Chabalow die Drohung aus, alle reklamierten Arbeiter an die Front zu schicken, falls sie die Arbeit nicht bis zum 28. aufnehmen sollten. Der General stellt ein dreitägiges Ultimatum, für die Revolution eine größere Frist, als sie benötigt, um Chabalow zu stürzen und die Monarchie dazu. Aber das wird man erst nach dem Siege erfahren. Am Abend des 25. ahnt noch niemand, was der nächste Tag in seinem Schoße birgt.
Versuchen wir, die innere Logik der Ereignisse uns klar darzustellen. Unter der Flagge des "Frauentages" begann am 23. der lange herangereifte und lange zurückgehaltene Aufstand der Petrograder Arbeitermassen. Die erste Stufe des Aufstandes war der Streik. Während dreier Tage dehnte er sich immer mehr aus und wurde faktisch zu einem Generalstreik. Dies allein stärkte das Sicherheitsgefühl der Massen und trug sie vorwärts. Der Streik nahm immer mehr einen Angriffscharakter an, begleitet von Demonstrationen, die die revolutionären Massen mit den Truppen zusammenstoßen ließen. Das hob die Aufgabe in ihrer Gesamtheit auf eine höhere Ebene, wo die Frage durch die bewaffnete Macht entschieden wird. Die ersten Tage brachten eine Reihe von Teilerfolgen, jedoch mehr symptomatischen als materiellen Charakters.
Ein revolutionärer Aufstand, der sich auf einige Tage erstreckt, kann sich nur in dem Falle siegreich entwickeln, wenn er von Stufe zu Stufe sich steigert und immer neue Fortschritte aufweist. Ein Stillstand in der Entwicklung der Erfolge ist gefährlich, längeres Treten auf einem Fleck verhängnisvoll. Aber auch Erfolge an sich genügen nicht; es ist nötig, daß die Menge rechtzeitig von ihnen erfährt und Zeit hat, sie zu bewerten. Man kann den Sieg in einem Augenblick verpassen, wo man nur den Arm auszustrecken braucht, um ihn zu ergreifen. Das ist in der Geschichte schon vorgekommen.
Die ersten drei Tage waren Tage ununterbrochener Steigerung und Verschärfung des Kampfes. Gerade aus diesem Grunde aber erreichte die Bewegung eine Höhe, wo symptomatische Erfolge
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