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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Baracken und der sie umgebende niedergerissene Zaun, das Knattern der Maschinengewehre und Gewehre, die erregten Gesichter der Belagerer, das herbeirasende Lastauto voll bewaffneter Revolutionäre und schließlich der auftauchende Panzerwagen mit den glänzenden Geschützläufen - ein großartiges, unvergeßliches Bild." Mit diesen Baracken und Zäunen brannte das alte zaristische Rußland der Polizei, der Leibeigenschaft und der Popen, es ging im Feuer und Rauch auf, es krepierte im Lärm des Maschinengewehrgeknatters. Wie sollten da Kajurow, die Dutzende, Hunderte und Tausende Kajurows nicht gejubelt haben. Der eingetroffene Panzerwagen gab einige Kanonenschüsse auf die Baracken ab, in denen sich die Offiziere und Radfahrer festgesetzt hatten. Der Leiter der Verteidigung fiel, die Offiziere rissen Achselstücke und Abzeichen ab und flüchteten durch die angrenzenden Gemüsegärten, die übrigen ergaben sich. Das war wohl der wichtigste Zusammenstoß dieses Tages.
    Der militärische Aufstand nahm unterdes epidemischen Charakter an. Es meuterten an diesem Tage nur jene Truppenteile nicht, die dazu nicht Zeit fanden. Gegen Abend schlossen sich die Soldaten des Semjonowski-Regiments an, das durch bestialisches Niederschlagen des Moskauer Aufstandes im Jahre 1905 berühmt geworden war: die elf Jahre waren nicht spurlos vergangen! Gemeinsam mit den Jägern entwaffneten die Semjonowsker noch spät abends das Is-majlowski-Regiment, das die Vorgesetzten in den Kasernen eingeschlossen hielten: Dieses Regiment, das am 3. Dezember 1905 den ersten Petersburger Sowjet umringt und verhaftet hatte, galt schon damals als eines der rückständigsten. Die zaristische Garnison der Hauptstadt, die 150.000 Soldaten zählte, kroch auseinander, zerschmolz, verschwand. Nachts existierte sie nicht mehr.
    Chabalow, der am Morgen die Kunde von dem Aufstand der Regimenter vernimmt, versucht noch, Widerstand zu leisten, indem er eine kombinierte Abteilung von etwa tausend Mann mit den drakonischsten Instruktionen gegen die Aufständischen marschieren läßt. Doch das Schicksal dieser Abteilung nimmt einen geheimnisvollen Verlauf. "Es beginnt etwas Unwahrscheinliches sich in diesen Tagen abzuspielen", erzählt der unvergleichliche Chabalow nach dem Umsturz, "... die Abteilung ist ausgerückt, ausgerückt mit mutigen, entschlossenen Offizieren [die Rede ist vom Obersten Kutjepow], aber ... ergebnislos." Die nach dieser Abteilung ausgesandten Kompanien verschwinden gleichfalls spurlos. Der General beginnt auf dem Schloßplatz Reserveabteilungen zu formieren, aber "es gab keine Patronen, und man konnte sie nirgendwo auftreiben". Das alles sind dokumentarische Angaben Chabalows vor der Untersuchungskommission der Provisorischen Regierung. Wohin verschwanden denn all diese Ordnungstruppen? Dies ist nicht schwer zu erraten: Sie gingen, kaum ausgerückt, im Aufstande unter. Arbeiter, Frauen, Jugendliche, meuternde Soldaten umringten die Chabalowschen Abteilungen von allen Seiten, da sie sie entweder als die Ihrigen betrachteten oder zu solchen machen wollten, und ließen sie nicht anders vorwärts als zusammen mit der großen, unübersehbaren Menge. Gegen diese fest an ihnen klebende, nichts mehr fürchtende, unerschöpfliche, alles durchdringende Masse zu kämpfen war ebensowenig möglich wie im Teig zu fechten.
    Gleichzeitig mit den Meldungen über Meutereien immer neuer Regimenter erging der Ruf nach zuverlässigen Truppenteilen zur Niederschlagung des Aufstandes, zum Schutze der Telephonstation, des Litauischen Schlosses, des Mari-inski-Palais' und anderer, noch geheiligterer Stätten. Chabalow versuchte telephonisch, aus Kronstadt zuverlässige Truppen anzufordern, aber der Kommandant antwortete ihm, er sei selbst um das Schicksal der Festung in Sorge. Cha-balow wußte noch nicht, daß der Aufstand auch die benachbarten Garnisonen erfaßt hatte. Der General versuchte, oder tat wenigstens so, als versuche er, sich im Winterpalais zu verschanzen, der Plan wurde aber sofort als undurchführbar aufgegeben und das letzte Häuflein "treuer" Truppen in die Admiralität verlegt. Dort traf der Diktator endlich Sorge, das wichtigste und unaufschiebbarste Werk zu tun: die zwei letzten Regierungsakte - den Rücktritt Protopopows "wegen Krankheit" und die Erklärung des Belagerungszustandes - in Druck zu geben. Mit dem Belagerungszustand hieß es sich allerdings beeilen, denn schon nach wenigen Stunden hob die Armee Chabalows die "Belagerung" Petrograds

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