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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Streiks einzigen Publikation. Da der Aufstand im Laufe des Tages gesiegt hatte, beeilten sich die Deputierten keinesfalls, den Irrtum richtigzustellen, sondern unterstützten die Illusionen ihrer "linken" Freunde: an die Feststellung der Wahrheit gingen sie erst in der Emigration. Eine scheinbar nebensächliche, doch äußerst bedeutsame Episode. Die revolutionäre Rolle der Duma am Tage des 27. Februar war eine vollkommene Mythe, geboren aus der politischen Leichtgläubigkeit der radikalen Intellektuellen, die die Revolution erfreut und erschreckt hatte und die den Glauben an die Fähigkeit der Massen, die Sache zu Ende zu führen, nicht besaßen und bestrebt waren, so schnell wie möglich bei der Großbourgeoisie Anschluß zu finden.
    In den Memoiren der Deputierten, die der Dumamehrheit angehörten, ist glücklicherweise ein Bericht darüber erhalten geblieben, wie die Duma der Revolution begegnete. Nach der Erzählung des Fürsten Mansyrew, eines rechten Kadetten, befanden sich unter den Deputierten, die sich am 27. in großer Zahl versammelt hatten, weder Mitglieder des Präsidiums noch Parteiführer noch Häupter des progressiven Blocks: diese wußten bereits von der Dumaauflösung und vom Aufstande und zogen es vor, so lange wie möglich den Kopf nicht herauszustecken; außerdem führten sie anscheinend gerade in diesen Stunden Verhandlungen mit dem Großfürsten Michail über die Diktatur. "In der Duma herrschte allgemeine Verwirrung und Kopflosigkeit", sagt Mansyrew. "Selbst die erregten Debatten verstummten, statt dessen vernahm man nur Seufzer und kurze Repliken, wie etwa: "Weit ist's gekommen", oder aber offene Angsteingeständnisse um die eigene Person." So berichtet ein gemäßigter Deputierter, der lauter als alle anderen geseufzt hat. Schon gegen die zweite Stunde, als die Führer gezwungen waren in der Duma zu erscheinen, brachte der Sekretär des Präsidiums die frohe, aber unbegründete Botschaft: "Die Unruhen werden bald unterdrückt sein, es sind Maßnahmen getroffen." Es ist möglich, daß mit den Maßnahmen die Verhandlungen über die Diktatur gemeint waren. Doch die Duma ist bedrückt und wartet auf das erlösende Wort des Führers des progressiven Blocks. "Wir können im Augenblick schon allein deshalb keine Entschließungen treffen", erklärte Miljukow, "weil uns das Ausmaß der Unruhen ebensowenig bekannt ist wie die Tatsache, auf wessen Seite die Mehrheit der Petrograder Truppen, der Arbeiter und der öffentlichen Organisationen steht. Man muß genaue Auskünfte über all dies einziehen und erst dann die Lage besprechen, jetzt ist es verfrüht." Um 2 Uhr mittags am 27. Februar ist es dem Liberalismus noch immer "verfrüht"! "Auskunft einziehen" bedeutete, sich die Hände waschen und den Ausgang des Kampfes abwarten. Aber Miljukow hatte seine Rede noch nicht beendet, die er übrigens begonnen hatte, um mit nichts zu enden, als Kerenski in höchster Erregung in den Saal hereinstürzte: Gewaltige Volks- und Soldatenmengen ziehen zum Taurischen Palais, verkündete er, sie wollen die Duma auffordern, die Macht zu übernehmen! ... Der radikale Deputierte weiß genau, was die gewaltigen Volksmassen fordern. In Wirklichkeit ist er es selbst, Kerenski, der zum erstenmal verlangt, daß die Duma, die im stillen noch immer auf eine Unterdrückung des Aufstandes hofft, die Macht übernehme. Die Mitteilung Kerenskis ruft "allgemeines Erstaunen und ratlose Blicke" hervor. Aber noch ist er nicht fertig, als ihn ein in hellem Schrecken hereinstürmender Dumadiener unterbricht: Die vordersten Reihen der Soldaten ständen vor dem Palais, die Wache an der Einfahrt habe ihnen den Zutritt verweigert, der Chef der Wache sei schwer verwundet. Eine Minute nachher ergibt sich, die Soldaten sind bereits im Palais. Später wird man in Reden und Artikeln erzählen, die Soldaten seien gekommen, die Duma zu begrüßen und ihr den Eid abzulegen. Im Augenblick aber ist alles in tödlicher Panik. Das Wasser steht an der Kehle. Die Führer tuscheln. Man muß Zeit gewinnen. In aller Eile stellt Rodsjanko den ihm eingeflüsterten Antrag, ein Provisorisches Komitee zu wählen. Zustimmende Rufe. Aber alle möchten sich schnellstens aus dem Staube machen, ihr Sinn steht nicht nach Wahlen. Der nicht minder als die anderen erschrockene Vorsitzende schlägt vor, den Ältestenrat mit der Bildung des Komitees zu beauftragen. Wiederum zustimmende Rufe einiger noch im Saale Verbliebener: die Mehrzahl ist bereits verschwunden. Das war

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