Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
beruhigend hinzu. "Die Juliereignisse", schreibt Schljapnikow, "und die gesamte mit ihnen verbundene Kampagne der Gewaltakte und Verleumdung gegen unsere Organisationen haben das Wachsen unseres Einflusses, der Anfang Juli riesige Kraft erreicht hatte, unterbrochen ... Unsere Partei war halblegal und führte einen Verteidigungskampf, gestützt hauptsächlich auf Gewerkschaften und Fabrikkomitees."
Die Beschuldigung gegen die Bolschewiki, in Deutschlands Dienst zu sein, konnte sogar auf die Petrograder Arbeiter, mindestens auf einen großen Teil, nicht ohne Eindruck bleiben. Wer schwankend war, prallte zurück. Wer daran war, sich anzuschließen, wurde schwankend. Sogar von jenen, die sich bereits angeschlossen hatten, gingen nicht wenige weg. An der Julidemonstration hatten neben den Bolschewiki breiten Anteil auch Arbeiter genommen, die den Sozialrevolutionären und Menschewiki angehörten. Nach dem Schlage sprangen sie als erste unter ihr Parteibanner zurück: jetzt schien es ihnen, sie hätten tatsächlich mit der Disziplinverletzung einen Fehler begangen. Eine breite Schicht parteiloser Arbeiter und Parteimitläufer rückte ebenfalls ab unter dem Eindruck der offiziell verkündeten und juristisch aufgemachten Verleumdung.
In dieser veränderten politischen Atmosphäre übten die Schläge der Repressalien doppelte Wirkung aus. Olga Ra-witsch, eine der alten und aktiven Parteiarbeiterinnen, Mitglied des Petrograder Komitees, sagte später in ihrem Bericht: "Die Julitage hatten die Organisation derart zerschlagen, daß von irgendeiner Arbeit in den folgenden drei Weichen nicht die Rede sein konnte." Rawitsch meint damit hauptsächlich die offene Parteiarbeit. Längere Zeit konnte man die Herausgabe der Parteizeitung nicht bewerkstelligen: es fand sich keine Druckerei, die für die Bolschewiki arbeiten wollte. Nicht immer ging dabei der Widerstand von den Besitzern aus: in einer Druckerei drohten die Arbeiter mit Streik, falls die bolschewistische Zeitung gedruckt würde, und so mußte der Besitzer von dein bereits abgeschlossenen Vertrag zurücktreten. Eine Zeitlang wurde Petrograd mit der Kronstädter Zeitung versorgt.
Als äußerster linker Flügel in der offenen Arena erwies sich in diesen Tagen die Gruppe der MenschewikiInternationalisten. Die Arbeiter besuchten gern die Vorträge Martows, in dem während der Rückzugsperiode der Instinkt des Kämpfers erwachte, als es hieß, nicht für die Revolution neue Wege zu bahnen, sondern für die Reste ihrer Eroberungen zu kämpfen. Martows Mut war der Mut des Pessimismus. "Hinter der Revolution", sagte er in einer Sitzung des Exekutivkomitees, "ist wohl ein Punkt gestellt ... Wenn es schon so weit gekommen ist ... daß ... für die Stimme der Bauernschaft und der Arbeiter in der russischen Revolution kein Raum bleibt, dann wollen wir ehrlich von der Bühne abtreten und diese Herausforderung nicht unter schweigendem Verzicht hinnehmen, sondern in ehrlichem Kampfe." Mit ehrlichem Kampfe von der Bühne abzutreten, schlug Martow jenen seiner Parteigenossen vor, die, wie Dan und Zeretelli, den Sieg der Generale und Kosaken über die Arbeiter und Soldaten als einen Sieg der Revolution über die Anarchie einschätzten. Auf dem Hintergrunde der entfesselten Hetze gegen die Bolschewiki und der niedrigen Kriecherei der Versöhnler vor den Kosakenstreifen ließ Martows Haltung während jener schweren Wochen ihn hoch in den Augen der Arbeiter steigen.
Besonders vernichtend traf die Julikrise die Petrograder Garnison. Die Soldaten blieben politisch weit hinter den Arbeitern zurück. Die Soldatensektion des Sowjets war noch immer die Stütze der Versöhnler, während die Arbeitersektion bereits mit den Bolschewiki ging. Dem widersprach die Tatsache nicht, daß die Soldaten besondere Bereitschaft zeigten, mit den Waffen zu klirren. Bei Demonstrationen spielten sie eine aggressivere Rolle als die Arbeiter, aber unter den Schlägen prallten sie weit zurück. Die Welle der Feindseligkeit gegen die Bolschewiki schlug in der Petrograder Garnison sehr hoch empor. "Nach der Niederlage", erzählt der ehemalige Soldat Mitrewitsch, "gehe ich nicht zu meiner Kompanie, denn man könnte dort erschlagen werden, solange der Sturm nicht vorüber ist." Gerade in den revolutionärsten Regimentern, die während der Julitage in den vordersten Reihen gegangen und deshalb unter die wütendsten Schläge geraten waren, sank der Einfluß der Partei derart, daß dort die Wiederherstellung der Organisation
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