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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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notwendigen Dokumenten versehen wurden. Diese flüchtigen Generale haben später den Bürgerkrieg begonnen. Im Namen der heiligen Ziele, die Korni-low mit dem Liberalen Miljukow und dem Schwarzhundert Rimskij-Korssakow verbanden, wurden Hunderttausende ermordet, der Süden und der Osten Rußlands ausgeplündert und verwüstet, die Wirtschaft des Landes endgültig erschüttert, der Revolution der rote Terror aufgezwungen. Der Kerenskis Justiz glücklich entronnene Kornilow fiel bald an der Bürgerkriegsfront von einem bolschewistischen Geschoß. Kaledins Schicksal gestaltete sich nicht viel anders. Die Doner "Heeresregierung" verlangte nicht nur die Aufhebung des Befehls zur Verhaftung Kaledins, sondern auch dessen Wiedereinsetzung in das Amt des Atamans. Kerenski versäumte auch hier nicht, einen Rückzug anzutreten. Skobeljew reiste nach Nowotscherkassk, um sich bei den Kosakentruppen zu entschuldigen. Der demokratische Minister mußte die ausgesuchtesten Verhöhnungen, die von Kaledin selbst geleitet wurden, über sich ergehen lassen. Der Triumph des Kosakengenerals war allerdings nicht von langer Dauer. Durch die bolschewistische Revolution am eigenen Don von allen Seiten bedrängt, beging Kaledin wenige Monate später Selbstmord. Kornilows Banner ging danach in die Hände des Generals Denikin und des Admirals Koltschak über, mit deren Namen die Hauptperiode des Bürgerkriegs verbunden ist. Doch gehört das alles bereits in das Jahr 1918 und die folgenden Jahre.

Kapitel 11: Die Massen unter den Schlägen
    Unmittelbare Ursachen der Revolutionsereignisse sind Veränderungen im Bewußtsein der kämpfenden Klassen. Die materiellen Beziehungen der Gesellschaft bestimmen nur das Flußbett dieser Prozesse. Ihrer Natur nach besitzen die Veränderungen des Kollektivbewußtseins einen halb unterirdischen Charakter; erst wenn sie eine bestimmte Spannungskraft erreicht haben, drängen die neuen Stimmungen und Gedanken an die Oberfläche als Massenaktionen, die ein neues, wenn auch sehr unbeständiges gesellschaftliches Gleichgewicht herstellen. Der Gang der Revolution entblößt an jeder neuen Etappe das Machtproblem, um es sogleich wieder zu verschleiern - bis zu einer neuen Entblößung. Genauso ist auch der Mechanismus der Konterrevolution, mit dem Unterschiede, daß hier der Film in umgekehrter Richtung abrollt.
    Was in den Regierungs- und Sowjetspitzen geschieht, bleibt keinesfalls ohne Bedeutung für den Gang der Ereignisse. Doch den wirklichen Sinn einer politischen Partei begreifen und die Manöver der Führer dechiffrieren kann man nur in Verbindung mit der Aufdeckung der tiefen Molekularprozesse im Bewußtsein der Massen. Im Juli hatten die Arbeiter und Soldaten eine Niederlage erlitten, aber schon im Oktober eroberten sie in unüberwindlichem Ansturm die Macht. Was hat sich in diesen vier Monaten in ihren Köpfen abgespielt? Wie haben sie die Schläge, die auf sie von oben niederprasselten, empfunden? Mit welchen Gedanken und Gefühlen begegneten sie dem offenen Machteroberungsversuch der Bourgeoisie? Der Leser wird zu der Juliniederlage zurückkehren müssen. Man muß häufig zurückweichen, um besseren Anlauf zu haben. Und der Oktobersprung steht bevor.
    In der offiziellen Sowjethistoriographie hat sich die zur gewissen Schablone erstarrte Meinung herausgebildet, als sei der Julivorstoß gegen die Partei - Repressalien in Verbindung mit der Verleumdung - fast spurlos an den Arbeiterorganisationen vorbeigegangen. Das ist ganz falsch. Allerdings währte die Niedergeschlagenheit in den Reihen der Partei und das Abfluten der Arbeiter und Soldaten aus ihr nicht lange, nur einige Wochen. Die Wiederauferstehung erfolgte so schnell und vor allem so stürmisch, daß sie allein schon die Erinnerung an die Tage des Druckes und der Niedergeschlagenheit halb verwischte: ein Sieg zeigt überhaupt die Niederlagen, die ihn vorbereiteten, in anderem Lichte. Doch je mehr Protokolle lokaler Parteiorganisationen veröffentlicht werden, desto krasser tritt das Juliabflauen der Revolution hervor, das in jenen Tagen um so schmerzlicher empfunden wurde, je dauerhafter der Charakter des vorangegangenen Aufstieges gewesen war.
    Jede Niederlage - Ergebnis eines bestimmten Kräfteverhältnisses - verändert ihrerseits dieses Verhältnis zuungunsten der besiegten Partei, denn beim Sieger steigt das Selbstvertrauen, bei dem Besiegten aber sinkt der Glaube an sich. Indes bildet diese oder jene Einschätzung der eigenen Kraft ein äußerst

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