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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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der Front zeichnete sich durch höchste Buntheit aus. Es gab Regimenter und Divisionen, die noch niemals einen Bolschewiken gehört und gesehen hatten; viele von ihnen waren aufrichtig erstaunt, wenn man sie selbst des Bolschewismus beschuldigte. Andererseits traf man Truppenteile, die ihre eigenen anarchistischen Stimmungen mit einem Anflug von Schwarzhunderttum für reinsten Bolschewismus hielten. Die Stimmungen der Front glichen sich nach einer Richtung aus. Aber im grandiosen politischen Strom, dessen Flußbett die Schützengräben darstellten, gab es nicht selten Gegenströmungen, Wasserwirbel und nicht wenig Schlamm.
    Im September durchbrachen die Bolschewiki den Kordon und erhielten Zutritt zur Front, von der sie zwei Monate lang ernstlich abgeschnitten waren. Das Verbot war offiziell auch jetzt nicht aufgehoben. Die Versöhnlerkomitees taten á-les, um das Eindringen der Bolschewiki in ihre Truppenteile zu verhindern; aber alle Bemühungen blieben erfolglos. Die Soldaten hatten so viel von ihrem eigenen Bolschewismus vernommen, daß alle ausnahmslos darauf brannten, einen lebendigen Bolschewiken zu sehen und zu hören. Formale Hindernisse, Verschleppung und Verzögerung, von den Komiteeführern ausgeklügelt, wurden durch das Andrängen der Soldaten hinweggeschwemmt, sobald nur die Nachricht von der Ankunft eines Bolschewiken sie erreichte. Die alte Revolutionärin Jewgenja Bosch, die in der Ukraine große Arbeit geleistet hat, hinterließ grelle Erinnerungen an ihre kühnen Exkursionen in das unberührte Soldatendik-kicht. Besorgte Warnungen echter und falscher Freunde wurden allemal widerlegt. Bei der Division, die man als den Bolschewiki erbittert-feindselig charakterisiert hatte, überzeugte sich die sehr behutsam an das Thema herangehende Rednerin sehr bald, daß die Hörer mit ihr waren. "Kein Spucken, Husten, Schnäuzen, erste Anzeichen der Ermüdung eines Soldatenauditoriums, nein - völlige Stille und Ruhe." Die Versammlung endete mit einer stürmischen Apotheose zu Ehren der kühnen Agitatorin. Die gesamte Reise Jewgenja Boschs durch die Front war in ihrer Art ein Triumphzug. Weniger heroisch, weniger effektvoll, aber im wesentlichen ähnlich verlief die Sache auch bei den Agitatoren von geringerem Format.
    Neue oder auf neue Art überzeugende Ideen, Parolen und Verallgemeinerungen drangen in das abgestandene Leben der Schützengräben. Millionen Soldatenköpfe verarbeiteten die Ereignisse, Schlußfolgerungen ziehend aus der politischen Erfahrung. "... Liebe Arbeiter und Soldatengenossen", schreibt ein Frontler an eine Zeitungsredaktion, "laßt diesem bösen Buchstaben K, der die ganze Welt an die blutige Schlächterei verraten hat, nicht seinen Willen. Da ist der oberste Mörder Koljka (Nikolaus II.), Kerenski, Kornilow, Kaledin, Kadetten und überall der Buchstabe K. Die Kosaken sind für uns auch gefährliche Leute ... Sidor Nikolajew." Man braucht nicht Aberglauben darin zu suchen; es ist nur ein Verfahren politischer Mnemotechnik.
    Der aus dem Hauptquartier hervorgegangene Aufstand mußte jede Soldatenfiber erschüttern. Die äußere Disziplin, für deren Wiederherstellung so viel Mühen und Opfer verausgabt worden waren, riß wieder in allen Nähten. Der Kriegskommissar der Westfront, Schdanow, berichtet: "Die Stimmung ist im allgemeinen nervös ... mißtrauisch gegen Offiziere, lauernd: Nichterfüllung von Befehlen wird damit erklärt, daß es Kornilowsche Befehle seien, die man nicht ausführen dürfe." Im gleichen Sinne schreibt Stankewitsch, der Filonenko auf dem Posten des Oberkommissars abgelöst hatte: "Die Soldatenmasse ... fühlte sich von allen Seiten von Verrat umgeben ... Wer es ihr auszureden suchte - schien ihr ebenfalls ein Verräter."
    Für die Kaderoffiziere bedeutete der Zusammenbruch des Kornilowschen Abenteuers den Zusammenbruch der letzten Hoffnungen. Das Selbstgefühl des Kommandobestandes war auch vorher nicht glänzend gewesen. Wir haben Ende August die militärischen Verschwörer in Petrograd beobachtet: versoffen, prahlerisch, willenlos. Jetzt fühlte sich der Offizierstand völlig ausgestoßen und verurteilt. "Dieser Haß, diese Hetze", schreibt einer von ihnen, "das absolute Nichtstun und die ewige Erwartung einer Verhaftung oder eines schmachvollen Todes trieb die Offiziere in Restaurants, Chambres separees, Hotels ... In diesem Säuferrausche ertranken die Offiziere." Im Gegensatz dazu lebten Soldaten und Matrosen nüchterner denn je: sie waren von neuer Hoffnung

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