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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Rigas, sondern auch am Julidurchbruch, weshalb hatte man dann gegen Bolschewiki gehetzt und Soldaten erschossen? Haben die militärischen Provokateure versucht, Arbeiter und Soldaten am 27. August auf die Straße zu lok-ken, so haben sie vielleicht auch bei den blutigen Zusammenstößen vom 4. Juli eine Rolle gespielt? Welcher Platz gehört dann Kerenski in dieser ganzen Angelegenheit? Gegen wen hat er das 3. Kavalleriekorps angefordert? Weshalb hat er Sawinkow zum Generalgouverneur und Filonenko zu dessen Gehilfen ernannt? Wer ist überhaupt Filonenko, der Kandidat für das Direktorium? Überraschend ertönt die Antwort der Panzerdivision: Filonenko, der bei ihnen als Fähnrich gedient, hat Soldaten schlimmsten Erniedrigungen und Verhöhnungen ausgesetzt. Woher stammt der dunkle Geschäftemacher Sawojko? Was bedeutet überhaupt diese Auslese von Hochstaplern an der obersten Spitze?
    Die Tatsachen waren einfach, klar, vielen in Erinnerung, allen zugänglich unwiderlegbar, vernichtend. Die Staffeln der "wilden" Division, die gelockerten Schienen, die gegenseitigen Beschuldigungen zwischen Winterpalais und Hauptquartier, die Zeugenaussagen Sawinkows und Kerenskis sprachen für sich selbst. Welch unumstößlicher Anklageakt gegen die Versöhnler und ihr Regime! Der Sinn der Bolschewikenhetze wurde endgültig klar: sie bildete ein notwendiges Element in der Vorbereitung des Staatsstreiches.
    Der sehend gewordenen Arbeiter und Soldaten bemächtigte sich ein heftiges Gefühl der Scham über sich selbst. Also verbirgt sich Lenin nur deshalb, weil er niederträchtig verleumdet wurde? Also sitzen die übrigen im Gefängnis, den Kadetten, Generalen, Bankiers und Ententediplomaten zum Gefallen? Also jagen die Bolschewiki nicht nach Pöstchen, und man haßt sie oben gerade dafür, weil sie sich der Aktiengesellschaft, Koalition genannt, nicht anschließen wollen! Dies war es, was Werktätige, einfache Menschen, Unterdrückte begriffen. Und aus diesen Stimmungen heraus, zusammen mit dem Gefühl der Schuld vor den Bolschewiki, erwuchsen unverbrüchliche Treue zur Partei und Vertrauen zu deren Führern.
    Bis in die allerletzten Tage hinein nahmen sich die alten Soldaten, Kaderelemente der Armee, Artilleristen und Unteroffiziere, mit aller Kraft zusammen. Sie wollten nicht ein Kreuz setzen über ihre Kampfmühen, Heldentaten, Opfer: soll das alles wirklich sinnlos vergeudet sein? Als aber der letzte Halt unter ihren Füßen schwand, machten sie schroff kehrt
    - linksum! - und wandten das Gesicht den Bolschewiki zu. Jetzt gingen sie restlos in die Revolution hinein, mit ihren Unteroffizierstressen, mit der Stählung alter Soldaten und mit fest zusammengebissenen Kiefern: sie haben sich mit dem Kriege verrechnet, dafür werden sie diesmal ganze Arbeit tun.
    In Berichten lokaler Behörden, der militärischen wie der zivilen, wird unterdessen der Bolschewismus Synonym überhaupt jeglicher Massenaktion, entschiedener Forderung, Abwehr gegen Ausbeutung, Vorwärtsschreitens, kurz, ein zweiter Name für Revolution. Also das ist Bolschewismus? sagen sich Streikende, protestierende Matrosen, unzufriedene Soldatenfrauen, meuternde Bauern. Die Massen wurden von oben förmlich gezwungen, ihre verborgensten Gedanken und Forderungen mit den Losungen des Bolschewismus zu identifizieren. So machte sich die Revolution die Waffe dienstbar, die gegen sie gerichtet war. In der Geschichte wird nicht nur Vernunft Unsinn, sondern, wenn der Gang der Ereignisse es erfordert, wird auch Unsinn Vernunft.
    Der Wechsel der politischen Atmosphäre zeigte sich sehr anschaulich in der vereinigten Sitzung der Exekutivkomitees, am 30. August, als die Delegierten Kronstadts die Forderung erhoben, ihnen einen Platz in dieser hohen Institution einzuräumen. Ist das denkbar? Hier, wo die zügellosen Kronstädter in Acht und Bann getan wurden, sollen nunmehr ihre Vertreter sitzen? Aber wie es abschlagen? Gestern erst waren zur Verteidigung Petrograds Kronstädter Seeleute und Soldaten gekommen. Matrosen der Aurora tun Wachtdienst im Winterpalais. Nachdem sie eine Weile untereinander getuschelt hatten, boten die Führer den Kronstädtern vier Sitze mit beratender Stimme an. Das Zugeständnis wurde trocken entgegengenommen, ohne Dankesergüsse.
    "Nach Kornilows Aufstand", erzählt Tschinenow, ein Soldat der Moskauer Garnison, "bekamen bereits alle Truppenteile bolschewistische Färbung ... Alle waren darüber erstaunt, wie die Worte [der Bolschewiki] ..., General Kornilow

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