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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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erhoben sich die französischen Bauern in allen kritischen Momenten der Revolution, um den Schacher der Feudalen mit den bürgerlichen Eigentümern zu verhindern. Die Pariser Sansculotten, die ihr Blut für die Republik vergossen, befreiten die Bauern aus den feudalen Fesseln. Die französische Republik von 1792 bedeutete ein neues soziales Regime, zum Unterschiede von der deutschen Republik von 1918 oder der spanischen Republik von 1931, die das alte Regime minus Dynastie bedeuten. Im Kern dieses Unterschiedes ist nicht schwer, die Agrarfrage zu entdecken. Der französische Bauer dachte nicht unmittelbar in die Republik: er wollte den Gutsbesitzer abwerfen. Die Pariser Republikaner vergaßen gewöhnlich das Dorf. Aber nur der Bauerndruck gegen die Gutsbesitzer sicherte die Schaffung der Republik, indem er für sie den Boden vom feudalen Gerümpel säuberte. Eine Republik mit Adel ist keine Republik. Das hatte sehr gut der alte Machiavelli begriffen, der vierhundert Jahre vor Eberts Präsidentschaft, in seiner florentini-schen Verbannung, zwischen Drosseljagd und Tricktrackspiel mit dem Fleischer, die Erfahrung demokratischer Umwälzungen verallgemeinerte: "Wer eine Republik in einem Lande schaffen will, wo viele Adlige sind, wird es nicht machen können, ohne diese zuerst alle auszurotten." Die russischen Muschiks waren eigentlich der gleichen Meinung, und sie bewiesen das offen, ohne jeden "Machiavellismus".
    Spielten Petrograd und Moskau die leitende Rolle in der Bewegung der Arbeiter und Soldaten, so gehörte der erste Platz in der Bauernbewegung dem rückständigen großrussischen Agrarzentrum und dem mittleren Wolgagebiet. Hier waren von den Überresten der Leibeigenschaft besonders tiefe Wurzeln erhalten geblieben, das adlige Eigentum an Boden trug einen besonders scharf ausgeprägten parasitären Charakter, die Differenzierung der Bauernschaft war zurückgeblieben und entblößte um so stärker die Armut des Dorfes. In diesem Landstrich lodert die Bewegung bereits im März auf und erhält sogleich Terrorfärbung. Durch Bemühungen der regierenden Parteien aber wird sie bald in das Bett der Versöhnlerpolitik geleitet.
    In der industriell rückständigen Ukraine gewann die für Export arbeitende Landwirtschaft fortgeschritteneren, folglich kapitalistischeren Charakter. Die Schichtung der Bauernschaft war hier weit stärker als in Großrußland. Der Kampf um nationale Befreiung bremste unvermeidlich, wenigstens bis zu einem gewissen Zeitpunkt, alle anderen Formen des sozialen Kampfes. Jedoch die Unterschiede der territorialen und sogar nationalen Bedingungen äußerten sich letzten Endes nur in den Unterschieden der Fristen. Gegen Herbst wird fast das gesamte Land zum Gebiet des Bauernaufstandes. Von 620 Kreisen, die das alte Rußland bildeten, werden von der Bewegung 482 Kreise oder siebenundsiebzig Prozent erfaßt; ohne die Randgebiete, die sich durch besondere Agrarverhältnisse auszeichnen: Norddistrikt, Transkaukasien, Steppengebiet und Sibirien, sind von 481 Kreisen 439 Kreise oder einundneunzig Prozent in den Bauernaufstand hineingezogen.
    Die Kampfarten unterscheiden sich je nachdem, ob es sich um Feld, Wald oder Weideland, um Pacht oder Lohnarbeit handelt. Der Kampf ändert Formen und Methoden an verschiedenen Etappen der Revolution. Aber im allgemeinen läuft die Bewegung auf dem Lande, mit unvermeidlichem Nachhinken, durch die gleichen zwei großen Stadien wie die Bewegung der Städte. Auf der ersten Etappe paßt sich die Bauernschaft noch dem neuen Regime an und versucht, ihre Aufgaben vermittels der neuen Institutionen zu lösen. Jedoch es geht auch hier mehr um die Form als um den Inhalt.
    Eine Moskauer liberale Zeitung, die vor der Revolution in volkstümlerischen Farben schillerte, gab mit lobenswerter Unmittelbarkeit den Gefühlen der Gutsbesitzerkreise im Sommer 1917 Ausdruck: "Der Muschik blickt um sich; noch tut er nichts, doch betrachtet genau seine Augen, und die Augen werden euch sagen, daß das ganze Land um ihn herum
    - sein Land ist." Einen unersetzbaren Schlüssel zur "friedlichen" Politik der Bauernschaft bildet das Apriltelegramm eines der Tambower Dörfer an die Provisorische Regierung: "Wollen im Interesse der errungenen Freiheiten Ruhe bewahren, verbietet deshalb, über Gutsbesitzerboden zu verfügen vor der Konstituierenden Versammlung, andernfalls werden wir Blut fließen lassen, aber verhindern, daß ihn andere beackern."
    Der Muschik konnte um so eher den Ton ehrerbietiger

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