Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Drohung einhalten, als er beim Pochen auf seine historischen Rechte fast niemals unmittelbar mit dem Staat zusammenstieß. Am Orte fehlten Organe der Regierungsmacht. Über die Miliz verfügten die Gemeindekomitees. Die Gerichte waren desorganisiert. Die örtlichen Kommissare ohnmächtig. "Wir haben dich gewählt", schrien die Bauern, "wir werden dich auch davonjagen."
Indem sie den Kampf der vorangegangenen Monate steigert, nähert sich die Bauernschaft während des Sommers immer mehr dem Bürgerkrieg und überschreitet mit ihrem linken Flügel dessen Schwelle. Laut Bericht der Bodenbesitzer des Taganroger Kreises ergreifen die Bauern eigenmächtig Besitz von der Heuernte, nehmen den Boden an sich, verhindern das Pflügen, bestimmen eigenmächtig Pachtpreise, entfernen Besitzer und Verwalter. Laut Meldung des N-schegoroder Kommissars häuften sich im Gouvernement Gewaltakte und Aneignungen von Acker und Wald. Die Kreiskommissare fürchten, in den Augen der Bauern als Verteidiger der Großgrundbesitzer zu erscheinen. Die Dorfmiliz ist unzuverlässig: "Es geschahen Fälle, wo Milizbeamte sich gemeinsam mit der Menge an Gewaltakten beteiligten." Im Schlüsselburger Kreis untersagt das Gemeindekomitee den Bodenbesitzern, ihren eigenen Wald zu fällen. Der Gedanke der Bauern ist einfach: Keine Konstituierende Versammlung wird aus den Baumstümpfen die abgeschlagenen Bäume wieder aufleben lassen können. Der Kommissar des Hofministeriums beschwert sich über Wegnahme der Heuernte: Heu für die Schloßpferde muß gekauft werden! Im Kursker Gouvernement verteilen die Bauern unter sich Te-reschtschenkos gedüngte Brachfelder: der Eigentümer ist Minister des Auswärtigen. Dem Pferdezüchter des Orlower Gouvernements, Schneider, erklärten die Bauern, sie würden nicht nur den Klee auf seinem Gut abmähen, sondern ihn selber "zu den Soldaten stecken". Dem Verwalter des Rodsjankoschen Gutes befahl das Gemeindekomitee, die Ernte den Bauern abzutreten: "Wenn Sie dem Landkomitee nicht gehorchen, wird anders mit Ihnen verfahren, Sie werden verhaftet werden." Unterschrift und Siegel.
Aus allen Ecken strömen Beschwerden und Geschrei: von den Betroffenen, von den Lokalbehörden, von edlen Zeugen. Die Telegramme der Bodenbesitzer stellen die glänzendste Widerlegung aller plumpen Klassenkampftheorien dar. Namhafte Gutsbesitzer, Eigentümer von Latifundien, geistliche und weltliche Leibeigenschaftsanhänger sind ausschließlich um das allgemeine Wohl besorgt. Feind ist nicht der Bauer, sondern der Bolschewik, manchmal der Anarchist. Die eigenen Güter interessieren die Landlords einzig vom Standpunkte des Gedeihens des Vaterlandes. Dreihundert Mitglieder der Kadettenpartei, aus dem Gouvernement Tschernigow, erklären: angestiftet von den Bol-schewiki, vertreiben die Bauern die Kriegsgefangenen von der Arbeit und gehen zum eigenmächtigen Einholen der Ernte über: als Folge droht "die Unmöglichkeit, Steuern zu zahlen". Den Sinn des Daseins erblickten die liberalen Gutsbesitzer in der Unterstützung der Staatskasse! Die Staatsbankfiliale in Podolien beschwert sich über das eigenmächtige Vorgehen der Gemeindekomitees, "deren Vorsitzende kriegsgefangene Österreicher sind". Hier spricht verletzter Patriotismus! Im Gouvernement Wladimir, auf dem Gutshof des Notars Odinzow, wird das "für wohltätige Institutionen angefertigte Baumaterial" weggenommen. Notare leben ausschließlich für die Taten der Menschenliebe! Po-doliens Bischof meldet die eigenmächtige Wegnahme von Wald, der dem bischöflichen Hause gehört. Der Oberprokurator beklagt sich über die Enteignung von Wiesenland des Alexander-Newski-Klosters. Die Vorsteherin des Kislarsker Klosters beschwört alle Donner gegen die Mitglieder des Lokalsowjets: sie mischen sich in die Klosterangelegenheiten, konfiszieren zu eigenem Nutzen die Pachtgelder, "hetzen die Nonnen gegen die Obrigkeit auf". In all diesen Fällen sind unmittelbar die Interessen der Kirche betroffen. Graf Tolstoi, einer der Söhne Leo Tolstois, berichtet im Namen des Bundes der Landwirte des Ufaer Gouvernements, daß die Übergabe des Bodens an die Landkomitees, "ohne den Beschluß der Konstituierenden Versammlung abzuwarten ... einen Ausbruch von Unzufriedenheit ... unter den bäuerlichen Eigentümern hervorrufen wird, deren es im Gouvernement über zweihunderttausend gibt". Der vornehme Gutsbesitzer ist ausschließlich um den kleinen Bruder besorgt. Senator Belgardt, Bodenbesitzer im Gouvernement Twer, ist
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