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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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vollständig dem liberalen Historiker, der zwar alle Möglichkeiten besaß, die Wahrheit zu kennen, aber bei weitem nicht immer die Wahrheit zu seinem höchsten Kriterium erwählte.
    Die Angaben eines Kerenski so nahestehenden Menschen wie Stankewitsch bestätigen, wenn nicht die psychiatrische, so doch die psychologische Charakteristik, die Miljukow gegeben hat. "Kerenski machte auf mich", schreibt Stanke-witsch, "Eindruck durch die seltsame Ode seiner Umgebung und die merkwürdige, ungewöhnliche Ruhe. Um ihn herum waren nur seine unvermeidlichen "Adjutantchen". Doch gab es weder die Menge, von der er früher stets umgeben gewesen war, noch Delegationen noch Scheinwerfer ... Es entstanden irgendwelche eigenartigen Mußestunden, und ich hatte die seltene Möglichkeit, mich mit ihm stundenlang zu unterhalten, wobei er eine merkwürdige Saumseligkeit an den Tag legte."
    Jede neue Regierungsumbildung vollzog sich im Namen einer starken Macht, und jedes neue Ministerium begann mit Dur-Tönen, um schon nach wenigen Tagen in Mutlosigkeit zu versinken. Es wartete dann auf einen Stoß von außen, um auseinanderzufallen. Den Stoß gab jedesmal die Bewegung der Massen. Die Regierungsumbildung, läßt man den trügerischen Schein beiseite, erfolgte immer in einer der Massenbewegung entgegengesetzten Richtung. Den Übergang von der einen Regierung zur anderen füllten Krisen aus, die jedesmal einen immer schleppenderen und schmerzhafteren Charakter annahmen. Jede neue Krise vergeudete einen Teil der Staatsmacht, schwächte die Revolution, demoralisierte die Regierenden. Das Exekutivkomitee der ersten zwei Monate vermochte alles, sogar die Bourgeoisie nominell zur Macht zu berufen. In den folgenden zwei Monaten vermochte die Provisorische Regierung gemeinsam mit dein Exekutivkomitee noch vieles, sogar die Offensive an der Front zu beginnen. Die dritte Regierung, unter dem geschwächten Exekutivkomitee, hatte noch die Fähigkeit, mit der Niederschlagung der Bolschewiki zu beginnen, war jedoch unfähig, diese zu Ende zu führen. Die vierte Regierung, entstanden nach der längsten Krise, war bereits zu nichts fähig. Kaum geboren, lag sie im Sterben und harrte mit offenen Augen ihres Totengräbers.

Kapitel 15: Die Bauernschaft vor dem Oktober
    Die Zivilisation machte den Bauern zu ihrem Lastesel. Die Bourgeoisie veränderte letzten Endes nur die Form der Last. Kaum geduldet an der Schwelle des nationalen Lebens, bleibt die Bauernschaft auch in der Wissenschaft eigentlich hinter deren Schwelle. Der Historiker interessiert sich gewöhnlich für die Bauernschaft ebensowenig wie der Theaterkritiker für jene grauen Gestalten, die die Bühne fegen, Himmel und Erde auf dem Rücken tragen und die Garderobe der Schauspieler sauberhalten. Die Teilnahme der Bauernschaft an Revolutionen der Vergangenheit blieb bis auf den heutigen Tag kaum beleuchtet.
    "Die französische Bourgeoisie begann mit der Befreiung der Bauern", schrieb Marx im Jahre 1848, "mit den Bauern eroberte sie Europa. Die preußische Bourgeoisie war so sehr in ihren engsten, nächstliegenden Interessen befangen, daß sie selbst diesen Bundesgenossen sich verscherzte und zu einem Werkzeuge in der Hand der feudalen Konterrevolution machte." In dieser Gegenüberstellung ist richtig, was sich auf die deutsche Bourgeoisie bezieht; jedoch die Behauptung, "die französische Bourgeoisie begann mit der Befreiung der Bauern", ist ein Widerhall der französischen offiziellen Legende, die zu ihrer Zeit sogar Marx beeinflußte. In Wirklichkeit widersetzte sich die Bourgeoisie im eigentlichen Sinne des Wortes, soweit ihre Kräfte reichten, der Bauernrevolution. Schon in den Landinstruktionen von 1789 warfen die örtlichen Führer des Dritten Standes, unter vorgeblicher Redigierung, die schärfsten und kühnsten Forderungen hinaus. Die viel zitierten Beschlüsse, vom 4. August, von der Nationalversammlung angenommen unter dein Feuerschein der Brände auf dem Lande, blieben lange pathetische Formel ohne Inhalt. Die Bauern, die sich mit dein Betrug nicht abfinden wollten, beschwor die Konstituierende Versammlung, "zurückzukehren zur Erfüllung ihrer Pflichten und sich mit gebührender Achtung gegen das Eigentum [das feudale!] zu verhalten". Die Zivilgarde wandte sich mehr als einmal gegen die Dörfer, um die Bauern zu unterdrücken. Die städtischen Arbeiter, welche Partei für die Aufständischen nahmen, empfingen die bürgerlichen Exekutoren mit Steinen und Dachziegeln.
    Fünf Jahre lang

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