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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Verwirrung in der Entwicklung der Offensive abzuwenden, war es unbedingt notwendig, Antwort zu geben auf die Frage, die nicht nur Feind, sondern auch Freund bewegte: wird wirklich, wenn nicht heute, so doch morgen, der Aufstand entbrennen? In Trams, Straßen, Geschäften ist von nichts anderem mehr die Rede als vom kommenden Aufstande. Auf dem Schloßplatz, vor dem Winterpalais und dem Stabsgebäude lange Reihen Offiziere, die der Regierung ihre Dienste anbieten und im Austausch dafür Revolver erhalten: im Augenblick der Gefahr wird man weder von den Revolvern noch von deren Besitzern etwas merken. Der Frage des Aufstandes sind heute die Leitartikel sämtlicher Zeitungen gewidmet. Gorki fordert von den Bolschewiki, wenn sie nicht "das willenlose Spielzeug einer verwilderten Menge" seien, die Gerüchte zu widerlegen. Der Druck der Ungewißheit dringt auch in die Arbeiterviertel und vor allem in die Regimenter. Dort entsteht der Anschein, es bereite sich ein Aufstand vor ohne sie. Von wem? Warum schweigt das Smolny? Die widerspruchsvolle Stellung des Sowjets als offenes Parlament und revolutionärer Stab schuf an der letzten Etappe große Schwierigkeiten. Weiter zu schweigen wurde unmöglich.
    "Die letzten Tage", sagt Trotzki am Schluß der Abendsitzung des Sowjets, "ist die Presse voll von Meldungen, Gerüchten und Artikeln über die bevorstehende Erhebung ... Beschlüsse des Petrograder Sowjets werden zur allgemeinen Kenntnis veröffentlicht. Der Sowjet ist eine gewählte Institution und ... es kann keine Beschlüsse gehen, die den Arbeitern und Soldaten nicht bekannt wären ... Ich erkläre im Namen des Sowjets: keinerlei bewaffnete Demonstrationen sind von uns angesetzt worden. Wäre aber der Sowjet nach dem Gang der Dinge gezwungen, eine Erhebung anzusetzen, die Arbeiter und Soldaten würden auf seinen Ruf wie ein Mann hervortreten ... Man verweist darauf, daß ich eine Order auf fünftausend Gewehre unterschrieben habe ... Ja, ich habe unterschrieben ... Der Sowjet wird auch künftighin die Arbeitergarde organisieren und bewaffnen." Die Delegierten begriffen: die Schlacht ist nahe, doch ohne sie oder unter Umgehung ihrer wird das Signal nicht gegeben werden.
    Aber außer der beruhigenden Erklärung braucht die Masse eine klare revolutionäre Perspektive. Der Redner verknüpft zwei Fragen miteinander: die Versetzung der Garnison und den bevorstehenden Sowjetkongreß. "Wir haben mit der Regierung einen Konflikt, der einen sehr scharfen Charakter annehmen kann ... Wir gestatten nicht ... Petrograd seiner revolutionären Garnison zu entblößen." Dieser Konflikt hängt seinerseits von einem anderen heranrückenden Konflikt ab. "Es ist der Bourgeoisie bekannt, daß der Petrograder Sowjet dem Sowjetkongreß vorschlagen wird, die Macht in seine Hände zu nehmen ... Und nun versuchen die bürgerlichen Klassen, in Voraussicht des unvermeidlichen Kampfes, Petrograd zu entwaffnen." Die politische Verknotung der Umwälzung wurde in dieser Rede zum erstenmal konkret gezeigt: wir sind im Begriff, die Macht zu ergreifen, wir brauchen die Garnison, wir werden sie uns nicht nehmen lassen. "Beim ersten Versuch der Konterrevolution, den Kongreß zu sprengen, werden wir mit einer Gegenoffensive antworten, die unbarmherzig sein wird und die wir restlos durchführen werden." Die Ankündigung der entschiedenen politischen Offensive schließt auch diesmal mit der Formel der militärischen Verteidigung.
    Suchanow, der in die Sitzung gekommen war mit dem aussichtslosen Projekt, den Sowjet für eine Ehrung Gorkis zu gewinnen, hat später den an diesem Tage geknüpften revolutionären Knoten recht gut charakterisiert. Für das Smolny sei die Frage der Garnison die Frage des Aufstandes. Für die Soldaten sei es die Frage ihres Schicksals. "Es ist schwer, sich einen gelungeneren Ausgangspunkt für die Politik dieser Tage vorzustellen." Das hindert Suchanow nicht, die Gesamtpolitik der Bolschewiki für verderblich zu halten. Gemeinsam mit Gorki und Tausenden radikaler Intellektuellen fürchtete er am meisten jene angeblich "verwilderte Menge", die mit bemerkenswerter Planmäßigkeit tagaus, tagein ihren Angriff entwickelte.
    Der Sowjet ist mächtig genug, um offen das Programm der Staatsumwälzung zu proklamieren und sogar die Frist dafür anzusetzen. Gleichzeitig ist er - bis auf den von ihm selbst vorgesehenen Tag des vollen Sieges - ohnmächtig in tausend großen und kleinen Fragen. Kerenski, der politisch bereits auf Null hinabgesunken

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